Oleksander Pawljuk, Befehlshaber der Landstreitkräfte der ukrainischen Armee

Seit Beginn der groß angelegten Invasion hat sich die Stärke der Bodentruppen der Streitkräfte der Ukraine verdreifacht

In den 1000 Kriegstagen haben die Streitkräfte der Ukraine einen kolossalen Weg zu der Entwicklung und dem Aufbau zurückgelegt. Wie sich der quantitative und qualitative Personalbestand der Bodentruppen verändert hat, mit wie vielen neuen Modellen von Waffen und militärischer Ausrüstung die ukrainischen Verteidiger umgehen mussten, wie sich die Taktik der russischen Truppen in der Region Kursk verändert hat - darüber hat der Befehlshaber der Landstreitkräfte der ukrainischen Armee, Generalleutnant Oleksander Pawljuk, in einem Interview mit Ukrinform gesprochen.

Wie ist die quantitative und qualitative Personalbestandsänderung der Landstreitkräfte der ukrainischen Streitkräfte während der umfassenden Invasion, wurden neue Kampf- und Trainingseinheiten geschaffen?

Natürlich gibt es Veränderungen, und die sind erheblich. Die Stärke der Bodentruppen der Streitkräfte der Ukraine hat sich seit Beginn der groß angelegten russischen Invasion verdreifacht. Auch der qualitative Personalbestand hat sich deutlich verändert. Zum Beispiel hat sich die Anzahl der Offiziere etwas mehr als verdreifacht, die Anzahl der Vertragsoffiziere ist um 20% gestiegen, die Anzahl der Soldaten und Unteroffiziere hat sich fast um das 6-fache erhöht.

Zur gleichen Zeit gab es ein Drittel mehr Kadetten, die in militärischen Hochschuleinrichtungen des Kommandos der Landstreitkräfte der ukrainischen Armee ausgebildet werden. Übrigens ist die Zahl der Frauen in den Bodentruppen um 30% gestiegen.

Es ist logisch, dass die Anzahl der militärischen Einheiten zugenommen hat. Insbesondere hat sich ihre Zahl in den Bodentruppen seit Beginn der groß angelegten Invasion durch die Russische Föderation fast verdoppelt, und die Zahl der Ausbildungseinheiten ist um 70% gestiegen.

Seit Anfang 2022 erhielten und erlernten ukrainische Soldaten Hunderte neue Waffensysteme

Wie viele ausländische Waffensysteme mussten unsere Soldaten in diesem Zeitraum erlernen? Weil unsere Partner uns ständig helfen und neue Waffensysteme liefern, die unsere Armee früher nicht hatte.

Sie haben Recht, seit Anfang 2022 haben die ukrainischen Soldaten Hunderte neue Waffensysteme erhalten und erlernt. Das sind mindestens acht Versionen von Kampfpanzern, 10 von Schützenpanzern, neun Versionen von Mannschaftstransportern, mehr als 50 Versionen von selbstfahrenden und gezogenen Artilleriesystemen und Mehrfachraketenwerfern, 16 Versionen von Flugabwehrsystemen und mehr als 75 Systeme von Schusswaffen. Außerdem verfügen wir über elf Versionen von gepanzerten Fahrzeugen. Die bekanntesten Waffensysteme und über welche unsere Bürger ständig hören sind Kampfpanzer Abrams, Challenger 2, Leopard-1 und Leopard-2 verschiedener Versionen, PT-91, Schützenpanzer Bradley und Spartan, Marder, CV-90 und viele andere. Unter den Mannschaftstransportern sind das M1117, Stryker, VAB usw. Das sind auch Mehrfachraketenwerfer HIMARS, M270, zahlreiche Versionen der selbstfahrenden und gezogenen Artilleriesysteme wie PzH2000, ARCHER, AS-90, KRAB, CAESAR, M109, klar M777 und viele mehr.

Es wurde auch der Umgang mit 20 Versionen von Geräten zur Beobachtung und Aufklärung, 25 Versionen von unbemannten Luftfahrzeugen erlernt. Wie Sie sehen können, haben unsere Jungs genug Arbeit und zeigen eine unglaubliche Effektivität beim Lernen des Umgangs mit den neuen Waffensystemen.

Ausbildungszentren bieten für Mobilisierte mehr praktische Übungen und neue Programme an

In Ausbildungszentren wurden schon am Lehrplan für die Grundausbildung Änderungen vorgenommen. Kann man behaupten, dass Anfang 2025 spürbare Änderungen in der Qualität der Ausbildung von Mobilisierten geben werden?

Ich kann sagen, dass sich die Qualität der Ausbildung von Mobilisierten schon geändert hat, sie hat sich verbessert. Seit dem 1. November dauert die Grundausbildung 45 statt wie früher 30 Tage, sie ist eineinhalb Mal länger. Darüber hinaus wurde das Programm der Ausbildung nicht nur länger, sondern veränderte sich deutlich qualitativ. Das war schon eine vierte Überarbeitung des Ausbildungsprogramms seit Beginn der umfassenden Invasion. Es gibt jetzt mehr praktische Übungen, mehr Zeit für die Ausbildung für die Bekämpfung von Drohnen.

Änderte der Feind seit Beginn der umfassenden Invasion seine Taktik? Ob die Grundausbildung entsprechend angepasst wurde?

Ich habe gerade über solche Änderungen seit dem 1. November gesagt. Die vierte Fassung des Ausbildungsprogramms enthält neue Trainingselemente. Der Krieg ändert sich ständig und wir müssen Soldaten unter Berücksichtigung dieser Änderungen ausbilden. Sie sollen auf die aktuelle Lage auf dem Schlachtfeld vorbereitet sein. In diesen 1000 Tagen änderte sich der Krieg wirklich erheblich. So lernen seit dem 1. November Rekruten die Drohnenbekämpfung, die elektronische Kampfführung, der Bau von Stellungen und ihre Tarnung. Unter den neuen Lerninhalten ist ein Abschuss von Drohnen mit einer Pumpgun. Die Rekruten trainieren ihn mit einer echten Drohne und einem simulierten Abwurf von Munition auf Rekruten. Damit können sie sich an die Realität des modernen Krieges gewöhnen und verstehen, wie man das bekämpfen kann.

Im neuen Programm wird es mehr Aufmerksamkeit dem Grabenkampf geschenkt, also den Handlungen während des direkten Zusammenstoßes mit dem Feind, Annäherung an Schützengräber und ihr Aufrollen, Handgranatenwurf unter verschiedenen Bedingungen und Schießen auf kurze Distanz.

Ist die Gründung einer Ausbilderschule in der Ukraine geplant? Wenn ja, was wurde hierfür getan, in welchem Stadium ist das?

In der Tat ist die Frage der Verbesserung der Qualität der Personalausbildung in Ausbildungszentren und militärischen Kampfeinheiten der Streitkräfte sehr akut. Die Bodenstreitkräfte bildet derzeit Ausbilder im Zentrum der Ausbildung von Sergeanten aus. Die Mengen haben zugenommen, da die Zahl der Militäreinheiten wächst. Wir verstehen das. Und deshalb werden sich die Möglichkeiten des Zentrums der Ausbildung von Sergeanten in naher Zukunft fast verdoppeln! Dies wird die Bedürfnisse sowohl von Ausbildungszentren als auch von militärischen Kampfeinheiten decken. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um eine Ausbilderschule, eine Umbenennung ist hinsichtlich des Namens jedoch noch nicht in Betracht gezogen.

Ein gewisser Teil des ukrainischen Militärs wird im Ausland ausgebildet. Wie viele ukrainische Verteidiger sind im Allgemeinen während der umfassenden Invasion in europäischen Ländern ausgebildet worden?

Wenn wir über die Bodentruppen sprechen, wurden auf dem Territorium der Partnerländer fast 30.000 Militärangehörige ausgebildet. Etwa 20.000 von ihnen absolvieren die militärische Grundausbildung.

Wir alle verfolgen aufmerksam die Operation in der Region Kursk. Wie hat sich die Taktik des Feindes in drei Monaten verändert?

Zu Beginn der Offensivoperation der Verteidigungskräfte in der Region Kursk versuchte der Feind mit allen Mitteln, den Vormarsch unserer Truppen zu stoppen. Der Feind machte Hinterhalte und setzte die Luftwaffe ein. Gleichzeitig bombardierten die Russen gnadenlos ihre eigenen Siedlungen.

Nach dem Erreichen unserer Truppen der bestimmten Linien und dem Übergang zur Verteidigung wechselte der Feind von Manövrierverteidigung zu Offensivaktionen. Der Feind wollte die Kontrolle über das Gebiet entlang der Staatsgrenze zurückgewinnen.

Zu diesem Zeitpunkt wendet der Feind die Taktik kleiner Gruppen mit der Zahl bis zu einer Abteilung an und versucht mit Unterstützung der Artillerie, unsere Einheiten aus ihren Stellungen zu verdrängen.

Außerdem begann der Feind auf Befehl der obersten politischen Führung Russlands, die Taktik des Verteidigungsdurchbruchs anzuwenden, um das Territorium der Region Kursk so schnell wie möglich wieder unter die Kontrolle der Russischen Föderation zu bringen. An bestimmten Abschnitten der Front mit Einheiten bis zu einer Kompanie (Bataillon), unterstützt von gepanzerten Fahrzeugen. Diese Taktik geht mit erheblichen Verlusten an Personal und Ausrüstung einher, auch wenn sie erfolgreich waren und in die Kampfformationen unserer Truppen eingedrungen sind, wird der Großteil der Ausrüstung und des Personals mit unseren Panzerabwehrmitteln, Artillerie und FPV-Drohnen vernichtet. Bis zu 30 Prozent der feindlichen Ausrüstung werden bei einem Vorstoßversuch dank Minensprengsperren zerstört.

Wie wir alle sehen, werden einige Erfolge des Feindes mit erheblichen Verlusten begleitet, was ihn dazu zwingt, ständig zusätzliche Kräfte aus anderen Richtungen in die Region Kursk zu verlegen.

Stimmt es, dass das russische Kommando die kampffähigeren Einheiten in die Region Kursk verlegt?

Vor Beginn unserer Operation würde dem Feind eine Gruppe von bis zu viertausend Mann ausreichen, um diesen Frontabschnitt zu halten und Demonstrationsaktionen durchzuführen. Etwa die Hälfte davon waren Wehrpflichtige.

Im Zusammenhang mit dem Beginn der Offensivoperation der Verteidigungskräfte der Ukraine in den letzten drei Monaten ist der Feind gezwungen, die Gruppierung durch die Verlegung von Teilen und Einheiten aus anderen Richtungen sowie der operativen Reserve zu vergrößern. Zu diesem Zeitpunkt beträgt die feindliche Gruppe in der Region Kursk etwa 50.000 Mann. Die meisten von ihnen sind Marine- und Luftlandeeinheiten, die als die kampffähigsten gelten.

Innerhalb von drei Monaten der Durchführung der Operation in der Region Kursk verlegte der Feind hierher eine Division (106. Garde Luftlande-Division, bestehend aus drei Regimentern), zwei Brigaden (11. und 83. separate Landesturmbrigade) und ein Regiment (56. Landesturmregiment und 7. Landesturmdivision) der Luftlandetruppen sowie zwei Brigaden (155, 810 separate Marinebrigaden) und ein Regiment (177. separates Garderegiment der Marine) der Marine.

Die Verlegung des Feindes geht übrigens weiter. Um die Aufgabe zu erfüllen, die Kontrolle über das Territorium der Region Kursk so schnell wie möglich wiederherzustellen, wird eine weitere Division verlegt, nämlich die 76. Landesturmdivision, bestehend aus drei Regimentern mit einer Gesamtstärke von etwa 7,5 Tausend Mann.

Ist es geplant, den Einsatz von Robotersystemen auf dem Schlachtfeld bei den Bodentruppen im Jahr 2025 zu verstärken?

Der Einsatz unbemannter Bodensysteme von Einheiten der Bodentruppen entwickelt sich rasant und skaliert. Wenn zu Beginn der groß angelegten Aggression Bodenkomplexe nur in wenigen Militäreinheiten waren und hauptsächlich Aufgaben der logistischen Versorgung erfüllten, so erreichen heute Bodenkomplexe als Mittel zur Erfüllung des gesamten Spektrums an Kampf- und Spezialaufgaben das gleiche Niveau von Bedeutung als Luftfahrtkomplexe.

Unter Berücksichtigung des Konzepts der Entwicklung unbemannter Bodensysteme kann die Einführung unbemannter Bodensysteme in Einheiten der Bodentruppen in zwei Richtungen als vielversprechend angesehen werden: Die erste ist die Robotisierung bestehender Einheiten für die Verbesserung deren Effizienz und die Steigerung der Fähigkeiten bei der Erfüllung von Kampf- und Spezialaufgaben; die zweite ist die Schaffung separater Einheiten unbemannter Bodensysteme, die die Aufgaben der sogenannten Kompetenzzentren für den Einsatz, die technische Unterstützung und die Entwicklung von Bodensystemen erfüllen werden.

Wir sind außerdem bestrebt, ein zuverlässiges Kommunikations- und Leitsystem zu schaffen, das den kontinuierlichen und gleichzeitigen Einsatz aller verfügbaren unbemannten Mittel in der Einheit, sowohl am Boden als auch in der Luft, gewährleisten wird.

Um die Fähigkeiten der Bodentruppen beim Einsatz unbemannter Bodensysteme zu erhöhen, wird im Jahr 2025 vorgeschlagen, entsprechende Zusatzeinheiten in die Militäreinheiten einzuführen.

Die Bodentruppen sind also bestrebt, den Einsatz unbemannter Systeme im Allgemeinen zu erhöhen, um das Leben und die Gesundheit des Personals maximal zu bewahren.

Iryna Koschuhar