Eliot Higgins, Gründer des renommierten Recherchenetzwerks Bellingcat
Film der Russen über die Tragödie MH17 - eine Verschwörungstheorie für diejenigen, die sich für cleverer als andere halten
Das Wichtigste für ihn sind die Tatsachen. Mit deren Hilfe schwindet jedes Fake leicht. Auf der Suche nach der Wahrheit muss er sich mit einem großen Informationsvolumen befassen. Offene Quellen analysiert zu haben, schuf der Brite Eliot Higgins eine echte Revolution. Durch die Untersuchung von Fotos, Videos, Karten bis hin zu Kleinigkeiten konnte er unglaubliche Ergebnisse bei der Untersuchung von aufsehenerregenden Fällen erzielen.
Seine Geschichte begann mit einem Blog und dem Krieg in Syrien. Dann wurde Bellingcat ins Leben gerufen, eine Plattform, die investigative Journalisten vereinigte. Das Bellingcat-Team hat die Aggression Russlands in der Ukraine, die Vergiftung des ehemaligen russischen Geheimdienstoffiziers Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury und natürlich die Tragödie der МН17 angefangen. Die Ermittler von Bellingcat haben bewiesen, dass der Buk der russischen 53. Luftabwehrraketenbrigade aus Kursk mit der Nummer 332 im Osten der Ukraine gefilmt und fotografiert wurde. Offene Quellen analysiert zu haben, insbesondere Sozialnetzwerke, identifizierten und nannten sie auch die Namen der an der Katastrophe МН17 Beteiligten, die sich am 17. Juli 2014 im Himmel über dem Donbass ereignete - damals starben 298 Passagiere und Crewmitglieder. Die Maschine war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur.
Bellingcat griffen mehrfach russische Hacker, Trolle und "Journalisten" an. Das spricht aber nur dafür, welche wichtige Sache Eliot Higgins und sein Team machen. Sie kamen tatsächlich zu demselben Schluss, wie die offizielle Untersuchung, sich nur mit Informationen aus offenen Quellen gefasst zu haben. Und nach diesem Ergebnis ist die ganze Welt auf neue Bellingcat-Berichte gespannt, manchmal sogar mehr als auf Pressekonferenzen der internationalen Ermittlungsgruppe (JIT).
Mit Bellingcat-Gründer Eliot Higgins haben wir uns in den Niederlanden kennengelernt, bei einem internationalen Symposium unter dem Titel "Fünf Jahre nach dem HM17-Abschuss", das am Vorabend des Gedenktages für die Opfer der Tragödie stattfand. Damals erhofften Angehörige der Opfer der Katastrophe MH17, vom Bellingcat- Gründer mehr zu erfahren, als sie vom internationalen Ermittlungsteam (JIT) wussten. Man fing sogar an zu sagen: Wer weiß denn mehr: Die internationale Ermittlungsgruppe (JIT) zur Untersuchung der Katastrophe МН17 oder Bellingcat?
Ukrinform stellte dieselbe Frage an Eliot Higgins. Und fragte ihn auch, wie die Idee entstand, Bellingcat zu gründen? Wer finanziert und wer arbeitet für Bellingcat? Eliot Higgins erzählte auch von seinem Pseudonym Brown Moses und sendete den Song Frank Zappas anzuhören, nach dem er erschienen war. Deshalb rate ich euch, unser Interview genau zu diesem Song zu lesen.
GLOCKE AN DEN HALS DER KATZE BINDEN
Das Projekt Bellingcat startete im Juni 2014. Warum hat er so einen Namen bekommen? Was bedeutet Bellingcat? Wie begann Bellingcats Geschichte?
Die letzten zweieinhalb Jahre war ich ein Blogger mit dem Pseudonym Brown Moses. Es war nur mein Blog, kreativ genannt Brown Moses Blog. Als ich unter dem Pseudonym Brown Moses agierte, habe ich zunehmendes Interesse an Ermittlungen mit Hilfe offener Quellen gesehen. Immer mehr Menschen möchten ein Teil des Blogs Brown Moses werden. Damals war ich die einzige Person, die in diesem Blog schrieb. Inzwischen hat die Anzahl der Menschen gewachsen, die sich mit dem Prozess befassen möchten.
Angesichts dieses unbändigen Interesses an offenen Informationsquellen und der Tatsache, dass immer mehr Menschen, die sich dem Blog anschließen wollten, habe ich beschlossen, eine neue Website zu erstellen, nicht an meinen Namen gebunden, wo jeder Follower eine vollständige Bewertung seiner Arbeit erhalten und thematische Forschung für Menschen vorstellen könnte, die mehr über die Analyse von Informationen aus offenen Quellen erfahren möchten.
Ich musste einen Namen für die neue Webseite erfinden. Ich bin aber kein guter Erfinder für schöne, klangvolle Namen. Und diejenigen, die in den Sinn kamen, wurden bereits benutzt.
Mein Freund Peter Jux ist Schriftsteller, und ich dachte, er könnte ein paar gute Ideen haben, und habe ihn angerufen. Er erzählte mir von "belling the cat", einer Geschichte über eine Gruppe von Mäusen, die eine große Katze sehr befürchteten, deshalb haben sie beschlossen, eine Glocke um den Hals zu tragen. Aber dann haben sie erkannt, dass es keinen Plan gibt, wie man dieses Vorhaben umsetzen kann, weil es nur eine Idee ist. Peter hat also gedacht, wir könnten den Leuten beibringen, wie man einer Katze eine Glocke an den Hals bindet. Mir gefiel dieser Name, ich habe erfahren, wie viel eine Domain-Registrierung für die bellingthecat.com kosten wird. Und das waren etwa 4000 Dollar, weil jemand es registriert hat, ich habe nun zu bellingcat.com versucht und es waren 40 Dollar, so habe ich mich für diese Variante entschieden.
Sie hatten auch ein interessantes Pseudonym Brown Moses. Warum haben Sie eben Brown Moses gewählt?
Ich habe es vor vielen Jahren gewählt, vielleicht 1998, als ein Pseudonym für Spiel MMORPG Ultima Online, vorwiegend deswegen, da es der Name des Songs Frank Zappas war, den ich damals ständig hörte. Wie ich bereits gesagt habe, laufen mit clever Namen schief.
Sie haben unter diesem Pseudonym auch in Syrien gearbeitet. Warum haben Sie bei Ihrer ersten Untersuchung das Pseudonym ausgenutzt?
Ich begann den Brown Moses Blog Anfang 2012, aber vorher habe ich Kommentare unter diesem Pseudonym in verschiedenen Internet-Foren geschrieben und gelassen. Unter diesem Pseudonym habe ich 2011 the Guardian Middle East Live Blog kommentiert, als ich erfahren habe, wie man offene Quellen für die Untersuchung verwendet. Es gab viele Debatten und Streite über die Echtheit des Videos aus Libyen sowie Fragen, wo es aufgenommen wurde. Ich habe mich nun dafür entschieden, Satelliten-Aufnahmen zu benutzen, um Orientierungspunkte zu finden, die dem entsprechen, was auf dem Video war. Und das hat funktioniert. Es war mein erstes Interesse an dem, was wir als Geolokation kennen, eine Grundfertigkeit für jeden Forscher offener Quellen.
Wann haben Sie erkannt, dass Analyse von Informationen aus offenen Quellen wie Videos, Karten, Fotos erfolgreich funktioniert?
Ich glaube, es ist wirklich während der ersten Online-Diskussionen und Kommentare wie the Guardian Middle East Live Blog passiert. Aber dann ging es darum, was wir jetzt für ziemlich einfach halten. Seit vielen Jahren wurde ich immer wieder überrascht, welche Ergebnisse man erreichen kann, indem man offene Quellen untersucht. Und es ist toll, ein Teil dessen zu sein, was dich immer wieder überrascht.
Wann haben Sie entschieden, dass es an der Zeit ist, Geld für die neue Website Bellingcat mit Kickstarter (Webseite zur Finanzierung von Kreativprojekten durch Crowdfunding) zu sammeln?
Anfang 2014 wurde ich von einem Webseitebesitzer angesprochen, der Interesse hatte, in meinen Job zu investieren. Und wir haben vereinbart, dass er den Start Bellingcat finanziert. Wir haben einige Zeit über Vertragsdetails diskutiert, aber am Ende konnten wir uns nicht einigen, im letzten Moment hat alles gescheitert. Es war Juni 2014, ich begann bereits eine neue Website zu entwickeln, als ich plötzlich ohne Finanzierung geblieben bin. Zu diesem Zeitpunkt musste ich mich an die Kickstarter wenden, um doch meine Website zu starten.
Erinnern Sie sich noch, wie viel Geld und in welchem Zeitraum gesammelt wurde?
Wir haben etwas mehr als 50.000 Britisch Pfund Sterling ungefähr innerhalb eines Monats gesammelt.
Wer finanziert zurzeit Bellingcat?
Zurzeit ist es etwa 50 gegen 50 zwischen den Sponsoren und den Einkünften von Wortshops sowie ein wenig von der Internet-Plattform Patreon. Unsere Sponsoren sind heute der Nationale Fonds der Unterstützung der Demokratie (National Endowment for Democracy ist eine US-amerikanische Stiftung und Denkfabrik, eine private nicht kommerzielle Organisation der USA mit dem erklärten Ziel der weltweiten Förderung der liberalen Demokratie, sie gewährt jährlich über 1600 Beihilfen für die Unterstützung der Projekte der Nichtregierungsorganisationen im Ausland, die die demokratischen Grundsätze in mehr als 90 Ländern bestätigen - Red.), Porticus (die internationale Organisation, die die philanthropischen Programme der gemeinnützigen Einrichtungen koordiniert und entwickelt, jährlich werden knapp 2.000 Projekte in fast 90 Ländern der Welt unterstützt - Red.), Adessium (eine humanitäre Stiftung mit Sitz in den Niederlanden, sie engagiert sich neben Mensch/Natur und Sozialen Initiativen auch im Medienbereich, gehört dabei zu den Förderern des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten, unterstützt Initiativen und Organisationen, die sich für positive Veränderungen in der Gesellschaft einsetzen- Red.), die Open Society Foundations, (sind eine Gruppe von Stiftungen, die Menschen und Organisationen weltweit unterstützten, die für Meinungsfreiheit, Transparenz kämpfen, und die Gesellschaft, die Gleichheit und Gerechtigkeit fördert - Red.), die niederländische Postcode Lotterie (Dutch Postcode Lottery).
Vor kurzem haben wir eine Stiftung in den Niederlanden für Bellingcat gegründet, und das bedeutet, dass es sehr detaillierte Informationen über unsere Organisation auf der Website gibt. Es ist dafür getan, um möglichst transparent bezüglich unserer sämtlichen Einsätze zu sein. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es Leute, die unseren Job angreifen und behaupten, dass wir enorme Einnahmen aus verschiedenen Regierungen erhalten, aber die Realität ist ausführlich auf unserer Website zu sehen.
ZUSAMMENWIRKEN MIT INTERNATIONALER ERMITTLUNGSGRUPPE IN EINE RICHTUNG
Als wir Sie zum ersten Mal getroffen haben (bei einem internationalen Symposium mit dem Titel "Fünf Jahre nach dem HM17-Abschuss"), haben die Menschen auf dem Flur gesagt: "Interessant, wer weiß mehr - die internationale gemeinsame Ermittlungsgruppe (JIT) oder Eliot Higgins?" Wer weiß also mehr?
Ich bin voll davon überzeugt: die internationale Ermittlungsgruppe (JIT). Obwohl wir viel mehr Informationen zeigen können, da sie auf offenen Quellen basieren. Die Vertreter der internationalen gemeinsamen Ermittlungsgruppe (JIT) befassen sich mit Angaben, die nicht veröffentlicht werden können, so dass sie sowohl alle Materialien aus offenen Quellen als auch vieles mehr haben. Die Pressekonferenzen der internationalen gemeinsamen Ermittlungsgruppe (JIT) sind für uns immer sehr interessant, da wir mit dem Fall und den Informationen aus offenen Quellen so gut vertraut sind, dass es für uns einfacher ist, zu erkennen, wenn die internationale Ermittlungsgruppe (JIT) etwas hat, das über den Rahmen hinausgeht. Und wir haben schon gesehen, wie sie bei einer früheren Pressekonferenz neue Beweise liefern. Dies bietet uns daher die Möglichkeit, die Situation besser zu verstehen und mehr Angaben aus offenen Quellen zu untersuchen, nachdem die internationale Ermittlungsgruppe (JIT) weitere Informationen veröffentlicht hat.
Erzählen Sie bitte, wie Ihre Untersuchung zum Fall MH17 begonnen hat?
Bellingcat wurde am 14. Juli 2014 ins Leben gerufen, wenige Tage vor dem MH17-Abschuss. Hauptsächlich habe ich und mehrere einige den Wunsch geäußert, Artikel zu schreiben. Ich war damals vor allem auf Syrien konzentriert und wusste sehr wenig über den Ukraine-Konflikt. Aber nach dem Abschuss der MH17 wurden plötzlich zahlreiche Materialien über das, was passiert ist, und viele widersprüchliche Meinungen veröffentlicht. Es gab viele Diskussionen online und ich habe verstanden, dass die gleichen Methoden, die ich in Bezug auf Syrien in den letzten zwei Jahren verwendet habe, kann man bezüglich der MH17 verwenden. So habe ich begonnen, die Geolokation des Videos zu erkunden. Gleichzeitig haben andere Menschen das Gleiche in den sozialen Netzwerken gemacht. Mit einigen begann ich regelmäßig zu kommunizieren und habe sie eingeladen, für Bellingcat zu schreiben, was sie herausgefunden haben. Mit der Zeit arbeiten wir immer aktiver zusammen.
Wie sind Sie dazu gekommen, mit der internationalen Ermittlungsgruppe (JIT) zusammenzuarbeiten?
Unser Zusammenwirken kann nicht als eine Zusammenarbeit bezeichnet werden, aber wir teilen Informationen mit der internationalen Ermittlungsgruppe (JIT). Und das funktioniert nur in eine Richtung. Wir senden ihnen Informationen, bestimmte Materialien, aber nicht umgekehrt. Ich habe im Oktober 2014 zum ersten Mal mit ihnen gesprochen, als sie sich mit der britischen Polizei in Verbindung gesetzt und um ein Treffen mit mir gebeten haben. Ich habe einige Stunden mit ihnen verbracht, indem wir die Artikel, die wir platzieren, eingehend besprochen haben, um zu erklären, was von uns gemacht wurde. Und sie schienen daran sehr interessiert zu sein, was wir veröffentlicht haben.
Gibt es eine Vereinbarung mit der internationalen Ermittlungsgruppe (JIT) über die Informationen, die Sie veröffentlichen dürfen?
Solche Einigung gibt es nicht. Aber wir verstehen schon, dass Online-Informationen sehr schnell gelöscht werden können, nachdem wir etwas veröffentlicht haben. Deshalb senden wir die gefundenen Informationen und Berichte über unsere Tätigkeit an die internationale gemeinsame Ermittlungsgruppe (JIT), bevor wir sie veröffentlichen, damit sie die Daten speichern und nach ihren Standards untersuchen können, bevor sie gelöscht werden.
Die Gerichtsverhandlung über den Abschuss von MH-17 soll am 9. März 2010 stattfinden. Angehörige der Opfer warten sehr auf diesen Tag. Was wissen Sie über die Vorbereitung? Wie viele Zeugen werden vor Gericht geladen? Im Juli hat die internationale Ermittlungsgruppe vier Verdächtige angeklagt. Werden neue Namen vor Beginn der Verhandlung genannt?
Ich weiß nichts über Zeugen und andere ähnliche Details, aber vielleicht werden mehr Menschen schon vor Prozessbeginn im März 2020 angeklagt. Es wird ein langwieriger Prozess, ich vermute, dass die erste Sitzung eher verwaltungstechnisch sein wird. Und die Sachverhandlung beginnt eigentlich später.
ECHTE HERAUSFORDERUNG, ARBEITSERGEBNISSE IM GERICHT ANZUWENDEN
Könnten Sie bitte mehr über Ihr Team erzählen? Wer arbeitet bei Bellingcat? Wie viele Menschen sind am Projekt und in welchen Ländern beteiligt?
Im vergangenen Jahr haben wir deutlich gewachsen. Gegenwärtig haben wir rund 20 ständige Mitarbeiter, viele davon in den Niederlanden, der Rest in Kanada, den USA, Großbritannien. Wir haben auch rund 15 Freiwillige, die auch einen Teil unseres Kernteams für Ermittlungen ausmachen. Und sie sind überall, aus der Ukraine, aus Finnland, aus Polen, aus Bulgarien und aus anderen Ländern.
Welche Organisationen schlagen Ihnen vor, zusammenzuarbeiten?
Wir arbeiten mit einer Vielzahl von Organisationen zusammen. Wahrscheinlich ist die Arbeit, die wir mit Medien erledigen, besonders bemerkbar. Wir haben hart mit der Online-Ausgabe von The Insider gearbeitet. Wir haben zusammen viel Arbeit geleistet, um Verdächtige im Fall MH17 und GRU-Agenten (Hauptverwaltung für Aufklärung Red.) zu verfolgen, indem sie sich erheblichen Risiken innerhalb Russlands ausgesetzt haben. Sie verdienen viel mehr Aufmerksamkeit für ihre Arbeit, als sie bisher bekommen haben. Wir haben mit Medien wie Buzzfeed, der New York Times, Radio Free Europe und anderen zusammengearbeitet. Die Zusammenarbeit ist ein wichtiger Teil unseres Arbeitsansatzes. Wir suchen also immer nach Möglichkeiten, mit anderen Organisationen zu kommunizieren.
Ein weiterer Bereich, in dem wir arbeiten, ist Gerechtigkeit und Verantwortung, daher haben wir mit Global Legal Action Network zusammengearbeitet. Wir entwickeln einen neuen Prozess zur Archivierung und Untersuchung, der auf den Grundsätzen des Rechts basiert. Es geht darum, dass, was wir gemacht haben, bei Gerichten eingesetzt werden kann. Dieser Bereich ist besonders wichtig für mich, da unser Job in Bezug auf Syrien und MH17 gezeigt hat, dass die Angaben aus offenen Quellen eingesetzt werden können, um die Täter für schreckliche Verbrechen zu identifizieren. Heute ist es eine echte Herausforderung für uns, dass die Ergebnisse unserer Arbeit vor Gericht genutzt werden können.
MÜLL FÜR VERSCHWÖRUNGSTHEORIE
In einem Ihrer Interviews haben Sie gesagt, dass wenn Russland zu lügen aufhöre, würden Sie nicht viel schreiben können. Bei dem bevorstehenden Prozess werden russische Journalisten immer aktiver. Am 23. Oktober hat die Erstaufführung des Films der Russen unter dem Titel "Ruf nach Gerechtigkeit" in Den Haag stattgefunden. Die Autoren des Films sind die russische Journalistin Jana Erlaschowa und der niederländische Blogger Max van der Werff. Was halten Sie von diesem Film?
Ich denke, das ist Müll für Konspirologie, die Idioten anfeuert, die glauben, sie seien cleverer als andere.
Filme der russischen Journalistin Jana Erlaschowa werden scharf kritisiert. Sie versucht, die Ergebnisse der offiziellen Untersuchung der internationalen Ermittlungsgruppe (JIT) sowie ihrer Untersuchung der MH17-Tragödie in Frage zu stellen. Was meinen Sie dazu?
Meiner Meinung nach versuchen diese Menschen so verzweifelt zu beweisen, dass die Ukraine schuldig ist, dass sie an jeder aufgetauchten Theorie festhalten. Für sie ist es egal, dass ihre Aussagen nie konsequent sind. Ich habe 5 Jahre lang diese verschiedenen Theorien untersucht und sie übergehen einfach von einer Theorie zu einer nächsten, weil sie immer wieder widerlegt werden. Sie fragen sich nie, ob etwas mit ihrer Analyse nicht stimmt. Sie haben nur Sorgen zu beweisen, dass Russland nicht schuldig und die Ukraine schuldig ist. Und sie freuen sich, jeden Unsinn zu schlucken, um ihren Irrtum fortzusetzen, weil sie sonst vor sich und der Welt zugeben müssten, dass sie Narren sind.
Wissen Sie, wer MH17 abgeschossen hat? Sind Ihnen ihre Namen bekannt? Ist Ihnen bekannt, wer den Knopf gedrückt und die BUK-Rakete abgefeuert hat?
Wir haben keine konkreten Namen von denen, die den Knopf gedrückt haben und gewissermaßen ist das nicht das Wichtigste, weil sie ein Teil der Struktur und der Regierung sind, die sie zum Knopfdruck geführt hat, und diese ganze Struktur ist daran schuldig, was passiert war. Wir haben eine sehr klare Vorstellung über diese Struktur - wer und wofür verantwortlich war. Ich bin überzeugt, dass sich die internationale gemeinsame Ermittlungsgruppe (JIT) dem Ganzen noch besser bewusst ist.
Welche neue Informationen bezüglich MH17 könnten Sie mir teilen?
Bisher nichts, weil wir bereits zu einer sensibleren Zone übergegangen sind. Wir können also keine Details darüber teilen, was wir untersuchen.
Wir würden Sie die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens, der bereits im nächsten Jahr startet, mit einem Satz beschreiben?
Es ist kein Beginn des letzten Aktes der Aufführung, sondern ein Ende des ersten.
Was untersuchen Sie momentan außer dem Fall MH17?
Wir verfolgen jetzt die Aktivitäten der extremen Rechten in der EU und den USA, leisten viel Arbeit in Lateinamerika. Es geht insbesondre um den Mord an einem mexikanischen Journalisten. Wir arbeiten daran mit einheimischen Ermittlern. Wir prüfen bisher unterschiedliche Aktivitäten Russlands in Europa und planen, noch mehr Ausgaben von Bellingcat-Podcasts vorzubereiten, darunter wurden die ersten auf MH17 konzentriert. Weitere Ausgaben werden über die Aktivität der GRU in Europa berichten. Kurz wird auch über die gemeinsame Untersuchung mitgeteilt, die wir mit der BBC betreffs der Morde an Zivilisten in Kamerun durchgeführt haben. Ich arbeite auch an einem Buch, das im Frühjahr nächsten Jahres veröffentlicht wird, wofür wir bereits einen russischen Verleger gefunden haben. Und auch ein weiteres großes Projekt, worüber ich hoffentlich in diesem Jahr später mitteile.
Iryna Drabok, Den Haag
Foto: Eliot Higgins
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