MOAS-Sanitäter: Ein Wettlauf gegen den Tod

MOAS-Sanitäter: Ein Wettlauf gegen den Tod

Ukrinform Nachrichten
Die MOAS-Ärzte transportieren die schwer verletzten Kombattanten von den Stabilisierungspunkten in die Krankenhäuser

Bauch- und Kopfverletzungen, Amputationen, viele Amputationen jeden Tag, manchmal mehrmals, das ist sehr schwer zu sehen. Noch schwieriger ist es, den Verletzten zu erklären, was mit ihnen passiert, die richtigen Worte zu finden, sie zu beruhigen. Das gilt besonders für diejenigen, die wegen des Beschusses nicht sofort evakuiert werden konnten.

Das Ukrinform-Team hat einen Tag lang mit Rettungssanitätern der Hilfsorganisation MOAS verbracht, die verletzte Soldaten aus den Stabilisierungspunkte oder Feldlazaretten in Krankenhäuser transportieren, um ihnen die nötige Versorgung zukommen zu lassen.

Der größte Stützpunkt von MOAS befindet sich in der Direktion von Donezk. In diesem Gebiet der Frontlinie wird nach wie vor heftig gekämpft, was den Sanitätern viel Arbeit beschert.

„WIR NEHMEN UNS DER SCHWERSTEN FÄLLE AN, DIE SONST KEINER TRANSPORTIEREN KANN“

Bei unserer Ankunft im Stützpunkt war es noch relativ ruhig und die Sanitäter hatten Zeit zum Ausruhen.

„Wir versuchen, jedem die Möglichkeit zur Erholung zu geben, aber das hängt von der Situation an der Front ab. Alle verstehen, warum sie hier sind. Die meisten Evakuierungen werden direkt vom Operationstisch aus durchgeführt. Der Grund dafür ist, dass die Stabilisierungspunkte durch das Kommen und Gehen der Patienten stark beansprucht werden und wir dort Platz haben müssen. Erst kürzlich waren alle unsere Teams im Einsatz, und einige Teams sind in eine zweite Runde gegangen. Die aktive Frontphase hat begonnen und wir haben mehr Verwundete“, sagt Artem Bildij, Leiter der MOAS-Direktion Donezk.

Artem Bildij

In dem Stützpunkt, in dem wir angekommen sind, gibt es zehn Brigaden, die jeweils aus drei Personen bestehen. Vier weitere Brigaden mit zwölf Personen sind näher an der Frontlinie stationiert. Sie sind für die Soforthilfe vor Ort, die Erstversorgung der Verwundeten und den Transport der Verletzten zuständig, dann kommen die anderen Brigaden hinzu.

„Unsere Arbeit ist voll und ganz mit dem Militär koordiniert. Das Gebiet, in dem wir tätig sind, gehört zu den Gebieten mit den längsten Evakuierungsstrecken. Es handelt sich um eine Strecke von etwa 300 km in eine Richtung. Vom Stabilisierungspunkt bis zurück zum Stützpunkt dauert es 9–10 Stunden. Es kann jedoch auch länger dauern. Manchmal ist auf dem Weg ein Besuch in einem Krankenhaus oder eine Bluttransfusion notwendig. Dann kann die Evakuierung 11 bis 12 Stunden dauern“, sagt Artem.

Zu Beginn des Krieges hatte das MOAS-Team ausländische Sanitäter im Einsatz, die jedoch nach und nach durch ukrainisches Personal ersetzt wurden.

„Das müssen die Ukrainer tun. Deshalb sind wir hier. Wir haben unsere eigenen hervorragenden Spezialisten mit großer Erfahrung, die in der Lage sind, Menschenleben zu retten. Unser Team wird von professionellen, zertifizierten Ärzten gebildet. Alle Teams sind auf Anästhesie spezialisiert, und einige von ihnen sind in der Kriegsmedizin erfahren. Die meisten Teams sind seit über einem Jahr im Einsatz“, erklärt der Leiter.

Artem ist 34 Jahre alt. Sein Geburtsort ist Dnipro. Vor dem Krieg war er als Sanitäter in einer Ambulanz beschäftigt. Er kam für drei Monate zum Hilfsteam und hoffte wie die meisten, dass der Krieg nicht lange dauern und bald vorbei sein würde. In seinem „zivilen“ Job wollte die Geschäftsleitung ihn nicht behalten. Er musste sich also entscheiden.

„Und jetzt mache ich mich so nützlich wie möglich. Im zivilen Leben waren für mich die schwierigsten Fälle die, in denen ich Kinder retten musste. Meistens waren sie in einen Verkehrsunfall verwickelt. Hier ist es schwierig, das alles zu sehen, zum Beispiel Patienten mit Amputationen, die bei Bewusstsein sind. Es kam vor, dass ich zwei Tage nicht geschlafen habe, an den Rest kann ich mich nicht erinnern“, versucht der Mann zu scherzen.

Mehr als 35.000 verwundete Soldaten, darunter auch Schwerverletzte, hat das MOAS-Team seit Beginn der Großinvasion evakuiert.

„Alle unsere Fahrzeuge sind mit Beatmungsgeräten und allen notwendigen medizinischen Geräten ausgestattet, um die Vitalfunktionen des Patienten zu unterstützen. Unsere Aufgabe ist es, die schwierigsten Patienten zu versorgen. Patienten, die sonst von niemandem versorgt werden können. Manche Patienten sind nicht transportfähig, haben aber in regionalen Krankenhäusern eine Chance. Wir müssen also Risiken eingehen“, so der Gesprächspartner.

„Wird ihnen oft gedankt?“, frage ich.

„Ja, das tun sie. Wir hören oft, dass wir die Einzigen sind, die das machen. Wir sind dadurch motiviert. Das verleiht Kraft“, antwortet er.

Es war mir sogar ein wenig peinlich, ihn zu fragen, ob er nicht müde sei. Natürlich war er müde. Zu Hause warten auf ihn seine Frau und sein achtjähriger Sohn. Jedes Mal, wenn das Kind in der Stadt ein MOAS-Auto sieht, erzählt es stolz, dass sein Vater fährt.

Im Krieg ging der Junge in die erste Klasse, aber das hat Artem nicht miterlebt, wie viele andere wichtige Momente im Leben seines Sohnes.

Jeden Tag versucht er, mit seiner Familie zu kommunizieren. Aber er weiß, dass das Verlorene nicht zu ersetzen ist. Die Live-Kommunikation lässt sich durch keinen so modernen Messenger ersetzen.

„Aber ich bin für meine Familie hier. Die meisten Verwundeten, die wir evakuieren, haben Familien. Wir sagen ihnen, dass wir um ihr Leben kämpfen müssen. Viele der Jungs haben trotz der Schwere ihrer Verletzungen den Willen zur Rückkehr. Aber es gibt auch einige, die sich fragen: ,Werde ich in der Lage sein, ohne meinen Arm zu schießen?‘“, fügt Artem hinzu.

Dort, wo sich der Stützpunkt befindet, werden ständig Sirenen gehört. Das war auch während unseres Gesprächs der Fall. Dieses Geräusch wird als gewöhnliches Rauschen empfunden, dem niemand mehr Aufmerksamkeit schenkt.

GOLDENER STANDARD

Auf den Fluren des Stützpunktes sehen wir einen jungen Mann. Er heißt Nasar und ist Anästhesist. Nachts kehrte er von seiner Reise zurück. Die Ärzte vor Ort sagen übrigens nicht „Schicht“, weil das etwas Normales ist, wo man anfängt und aufhört. „Ausfahrt“ nennen sie das hier.

Seit etwas mehr als sechs Monaten ist Nasar Teil des MOAS-Teams. In dieser Zeit hat er tausende evakuiert.

Nasar.

„Gestern zum Beispiel hatten wir einen Patienten bei Bewusstsein im Transport. Er war am Kopf verletzt, hatte einen Schädelbasisbruch. Das ist ein so genannter, roter‘ Patient, was bedeutet, dass er an erster Stelle hätte evakuiert werden müssen. Davor hatten wir einen Patienten mit einer Verletzung des Dünn- und des Dickdarms, der eine massive Blutung hatte. Er war in einem sehr schlechten Zustand. Er musste unterwegs Bluttransfusionen bekommen. Der Fall war äußerst kompliziert. Massive Amputationen, Schrapnellwunden — das gibt es in der zivilen Medizin in der Regel nicht. Gefechtstraumata sind extrem schwierig und werden nicht verstanden. Da muss man ständig dazulernen“, sagt der Arzt.

Am Ausgang des Geländes steht ein spezieller Zellenschrank. Jede Zelle ist mit einer Brigadennummer versehen. Das gleiche gilt für die Fahrzeuge. Der Schrank ist der Aufbewahrungsort für die Ausrüstung der Sanitäterinnen und Sanitäter. In der Nähe des Schrankes sind die Sauerstoffflaschen, die auch bei jeder Ausfahrt mit an Bord sind.

Für die Vorbereitung braucht das Team 7 Minuten. Das ist sozusagen der Goldstandard, sagen sie.

„EGAL WIE VIELE WIR SIND, ES WERDEN IMMER NUR WENIG SEIN“

Eine weitere Ärztin, die Anästhesistin Natalja, ist aus der Evakuierungsreise zurück. Sie wurde in Chmelnyzkyj geboren. Im Mai 2022 ist sie von der zivilen Medizin in den militärischen Bereich gewechselt. Nach ihren Worten war es ihr ein Anliegen, den Soldatinnen und Soldaten behilflich zu sein. Bis zu ihrem Vorstellungsgespräch bei MOAS gingen ihr diese Gedanken immer wieder durch den Kopf.

„Als ich meiner Familie zu Hause von meiner Entscheidung erzählte, haben sie mir gesagt, dass sie das von mir erwartet haben und dass sie von Anfang an wussten, dass ich es tun würde. Sie haben mich ohne Hindernisse gehen lassen“, so Natalja.

Natalja.

Natalja dachte, sie würde in ein paar Monaten nach Hause zurückkehren, wie die meisten ihrer Kollegen und Kolleginnen. Sie hatte ihrem Sohn gesagt, dass sie nach Hause kommen würde, wenn der Krieg zu Ende sei.

„Das erste Mal bin ich acht Monate später zurückgekommen. Ohne Vorankündigung. Das Kind hat mich gesehen und gefragt: ,Mama, ist der Krieg vorbei?‘. Soviel Freude und Tränen! Der Abschied wird von Mal zu Mal schwerer. Aber ich spüre, dass mein Sohn mitzieht. Er ist voller Stolz. Er ist zwar erst 10 Jahre alt, aber wenn er älter wäre, dann hätte er genau das Gleiche getan. Ich weiß es. Unsere Kinder sollen nicht im Krieg aufwachsen. Ich will sie nicht im Kampf sehen“, sagt Natalja.

Natalja wird bei der Arbeit erwartet, im Gegensatz zu Artem. Ihre Kollegen fragen jedes Mal, wenn sie kommt: „Natalja, hast du vielleicht schon genug? Vielleicht ist es Zeit, aufzuhören?“ Und Natalja antwortet:

„Es werden immer nur wenig sein, egal wie viele von uns Sanitäter und Sanitäterinnen an der Front sind. Man braucht die Kräfte, man braucht uns“.

Sie sind immer mit einer kugelsicheren Weste, einem Helm und einem persönlichen Erste-Hilfe-Kasten ausgerüstet. Natalja scherzt, dass sie sogar in ihrer Weste schlafen würde. Es sei schon wie eine angeborene Sache.

„Das Gewicht spüre ich gar nicht mehr. Obwohl es sieben Kilo sind, vielleicht mehr“, sagt sie.

Wir hatten Zeit, die Bedingungen, unter denen die Sanitäter und Sanitäterinnen leben, während unseres Aufenthalts auf dem Stützpunkt zu sehen. Wir bemerkten die vielen Plastikflaschen in den Gängen. Es stellte sich heraus, dass es dort keine stabile Wasserversorgung gibt und dass die Ärzte ständig gezwungen sind, sich mit Vorräten zu versorgen.

Als ich mit Natalja sprach, fragte ich, wie ihr Alltag aussieht. Vor allem nach den Anpassungsschwierigkeiten.

„Die Männer in den Schützengräben haben nichts. Und wir sind an Wasser in Flaschen gewöhnt. Wenn ich nach Hause komme, denke ich, dass ich in einem Becken mit einem Schöpfer baden werde. Eine Flasche Wasser ist genug für mich. Ich vermisse meine Familie, aber wir sind die ganze Zeit in Kontakt. Wenn es viel Arbeit gibt, sagen sie: ,Schick uns einfach einen Smiley, dann wissen wir, dass alles in Ordnung ist‘“, sagt sie.

Sie war nachts weg und kam am Morgen zurück. Der Mann, der transportiert wurde, litt am Tourniquet-Syndrom — das ist eine Folge des langen Einsatzes eines Tourniquets, das zum Versagen der Nieren führt. Der Verletzte war auf eine Beatmung mit Hilfe einer künstlichen Lunge angewiesen. Auf dem Weg dorthin hatten wir Stopps in Krankenhäusern für Bluttransfusionen. In stabilem Zustand wurde er in ein Spezialkrankenhaus verlegt.

„Unsere Jungs sind für mich Helden. Jeden Tag wünsche ich mir, aufzuwachen und Frieden zu haben. Und dann denke ich mir: Warten wir auf den Sommer, dann ist Frieden; dann kommt der Herbst und man denkt: Warten wir auf den Herbst, dann ist Frieden. Und dann kommt der Winter ... Der Krieg wird aufhören, plötzlich“, ergänzt Natalja.

DIE VERLETZTEN IM AUGE BEHALTEN

Während wir mit den Teams sprechen, erhält Artem die Information, dass zwei Teams die Verletzten in den Krankenhäusern der Oblast Dnipropetrowsk abholen sollen.

Nur wenige Minuten dauern die Vorbereitungen. Schnell steigen sie in ihre Autos. Und wir rennen hinter ihnen her. Wenigstens versuchen wir, Schritt zu halten.

Sie bringen die Verwundeten fort. Wir werden in einen der Wagen gelassen.

„Das ist der ,rote‘ Patient. Er wurde an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Dieser Mann wurde von einem Granatsplitter getroffen. Das Bauch- und das Atmungssystem wurden beschädigt. Er hat einen Schock erlitten. Er hat viel Blut verloren und eine Bluttransfusion gebraucht. Sein Leben war gerettet, aber jetzt sind andere Chirurgen für die Rettung seiner Gesundheit zuständig“, sagt die Anästhesistin Alla.

Alla

Alla stammt aus Saporischschja. Früher war sie in einer Entbindungsklinik — einem Perinatalzentrum — beschäftigt.

„Es gibt so komplizierte und schwierige Patienten, die von anderen Teams nicht angenommen werden. Aber wir haben die Möglichkeit, sie abzuholen und ins Krankenhaus zu bringen. Täglich, manchmal sogar zweimal, machen wir solche Fahrten. Wenn es viele Verletzte gibt, sind wir ohne Pause im Einsatz. Es ist schon mehr als einmal vorgekommen, dass wir einen Tag ohne Schlaf verbracht haben. Wir sind etwa zehn Stunden unterwegs, davon drei Stunden mit dem Patienten zur Stabilisierung, zur Unterstützung der Vitalfunktionen und zur Überwachung“, erklärt er.

Dann steigen wir aus: Ärzte und Ärztinnen haben Arbeit, und die ist ohne Fremde besser.

EIN RETTUNGSTEAM: EINER AUS RUBISCHNE, EINER AUS MALTA

Als wir nach Saporischschja zurückkehren wollten, war es dunkel und spät. Plötzlich erhielten wir einen Anruf von Artem. Ein anderes Team war auf dem Weg zur Evakuierung und wir konnten uns mit ihnen im Krankenhaus treffen, in das der Verletzte gebracht worden war. Wir haben uns entschlossen, dorthin zu fahren.

Ein Operationssaal wartet auf den Patienten und das medizinische Personal im Krankenhaus. Das Team von MOAS begibt sich auf den Hof. Vorsichtig, aber schnell wird der Verletzte auf eine Trage gelegt.

„Sein Zustand ist schwer, verursacht durch eine Verletzung an der Wirbelsäule. Das Rückenmark ist gequetscht und komprimiert. Der Patient ist nicht in der Lage, den Druck aus eigener Kraft aufrechtzuerhalten. Er hat einen Bruch der Halswirbelsäule. Die Verletzung hat er sich heute Nachmittag zugezogen. Der Transport eines solchen Verletzten ist sehr schwierig. Wir müssen ihn in Narkose legen und dafür sorgen, dass er selbstständig atmet, aber trotzdem noch bei Bewusstsein ist. Der Mann spricht mit uns, er versteht, dass er seine Glieder nicht spürt, nicht fühlt, nicht bewegt. Er leidet an einer Tetraplegie, einer Lähmung sowohl seiner Arme als auch seiner Beine. Es handelt sich um eine Verletzung, die durch eine Minenexplosion verursacht wurde“, erklärt MOAS-Arzt Oleksandr seinen Kollegen und Kolleginnen.

Im Krankenhaus nennt man diese Teams liebevoll Moasiks.

„So hat man uns zuerst in Saporischschja und dann auch in Dnipro genannt. Es ist eine sehr gute Einstellung uns gegenüber. Sie wissen, wenn die Moasiks kommen, haben sie einen Schwerverletzten dabei, aber der ist in Behandlung und ist mehr oder weniger stabil. Wir holen dann die Schwerverletzten raus. Wir sind mit Sauerstoff, Beatmungsgerät und Medikamenten ausgestattet — wir gehören zu den Besten in der Region“, sagt Oleksandr.

Oleksandr

Nach dem Transport des Patienten in den Operationssaal haben wir noch ein paar Minuten Zeit für ein Gespräch, während sich das Team ein wenig ausruhen kann, bevor es wieder auf den Weg geht.

Oleksandr ist erst seit drei Monaten Mitglied des Teams. Er kommt aus der Stadt Rubischne in der Oblast Luhansk. Er ist Anästhesist und Intensivmediziner und arbeitete auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Zu Kriegsbeginn half er der ukrainischen Armee, dann verschob sich die Frontlinie und Zivilisten kamen ins Krankenhaus.

„Es gab Tag und Nacht Beschuss. Ich bin dortgeblieben, weil meine Großmutter, mein Bruder und meine Mutter in der Nähe waren. Am 9. März 2022 hat eine Granate unser Haus getroffen. Meine Mutter und mein Bruder waren zu Hause, ich war bei der Arbeit. Er war am Kopf verletzt. Ich habe mich um ihn gekümmert. Dann gab es viele verwundete Zivilisten. Es gab auch eine Evakuierung über Lysytschansk, ich hätte gehen können, aber ich konnte meine Mutter und mein Bruder nicht mitnehmen, also habe ich geblieben“, erzählt der Mann.

Dann wurde ein Arzt, ein Kollege von Oleksandr, schwer verletzt: Er ging auf den Balkon und das Feuer fing an.

„Eine Granate aus den Stellungen der, Volksrepublik Luhansk‘ hat den Balkon direkt getroffen. Mein Kollege war schwer verletzt. Seine Wirbelsäule war durch einen Granatsplitter beschädigt, er hatte eine schwere Prellung, er war bewusstlos und hatte keinen Blutdruck mehr. Als er das Bewusstsein wiedererlangte, hatte ich ihn bereits nach Lysytschansk ausgeflogen. Nun ist er in Deutschland. Er ist mehrmals operiert worden, unter anderem am Trommelfell, und er hatte eine Menge Granatsplitter in seinem Körper“, erinnert sich der Arzt.

Mehrere Tage blieb er in Rubischne gefangen. Die Besatzer hielten Oleksandr im Keller. Dann wurde seine Mutter gefangen genommen...

Sobald er Gelegenheit hatte, reiste er mit seiner Familie über Russland und Weißrussland nach Europa. Zehn Monate lang lebte er mit seinem Bruder in Deutschland, dann ging er für drei Monate nach Lettland. Danach kehrte er in die Ukraine zurück.

„Was ist das Schwierigste an Ihrer jetzigen Arbeit?“, frage ich, denn eine Überraschung ist bei diesem Mann wohl unmöglich.

„Oh, wenn ich Ihnen das sage, werden mich die Jungs in der Feuerlinie auslachen. Wenn du um 3 Uhr morgens zurückkommst, kannst du dich vielleicht gar nicht mehr ausruhen, weil ich dann am Telefon höre: ,Kannst du wieder gehen?‘ Und wir gehen sofort“, antwortet er.

„Wissen Sie, dass Sie ein Prachtkerl sind?“, frage ich wieder.

„Das sagt meine Mutter zu mir“, antwortet er, als ob er sich schämen würde.

„Und ich sage dasselbe zu Ihnen“, sage ich zu Oleksandr und schüttle seine Hand.

Während er seine Sachen packt, werden wir ein paar Minuten mit dem Fahrer unterhalten. Sie nennen ihn „Malta“. Von dort kam er zurück, um im Krieg zu kämpfen. Dort war er auch Mitglied des MOAS-Teams zur Rettung von Menschen aus dem Wasser.

„Malta“

„Zu Beginn des Krieges habe ich beschlossen, in die Ukraine zurückzukehren. Mein Boss hat gesagt, dass MOAS auch dort helfen würde und hat mir angeboten, mitzumachen. Zuerst waren wir in der Stadt Saporischschja, dann waren wir in die Oblast Donezk versetzt. Hier sind die Krankenhäuser weiter entfernt und die Fahrt dauert länger“, sagt er.

Vor dem Krieg war er noch nie im Osten des Landes gewesen, er stammt aus Luzk.

„Ich habe die Berge gesehen — schön, das Meer — wunderschön, aber ich bin in den Osten gekommen: Felder, Steppen — das ist unglaublich“, sagt er.

Die Männer steigen ins Auto und warnen, ihnen keine gute Nacht zu wünschen. Das ist ein böses Omen.

P.S. Die meisten unserer Gesprächspartner und -partnerinnen wissen noch nicht, was sie nach dem Krieg machen werden, aber sie sind sicher, dass unsere Ärzte und Ärztin und ihre Erfahrung weltweit gebraucht werden.

In den ersten Wochen nach der Befreiung mussten die MOAS-Teams in den befreiten Städten arbeiten. Sie sagen, dass der Anblick der großen Städte ohne Menschen sehr erschreckend ist.

„Sie wissen, dass dort früher Tausende von Menschen gelebt haben. Jetzt sind es nur noch wenige, und es gibt nichts mehr: kein Wasser, kein Strom, Ruinen statt Häusern. Früher hat man davon geträumt, die Welt zu sehen. Heute träumen die Ukrainer und Ukrainerinnen davon, die Ukraine zu bereisen. Und unsere Ärzte und Ärztinnen haben den Traum, einfach nach Hause zu gehen“, so Artem, der Koordinator, am Ende des Gesprächs.

Olha Swonarowa, Saporischschja

Videos von der Verfasserin

Fotos von Dmytro Smoljenko


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