Bohdan Kuschnir, stellvertretender Kommandeur des Angriffsregiments Safari der Brigade Ljut
So viel feindliche Infanterie wie jetzt in Torezk habe ich noch nie gesehen
Kommandeure des Sieges 09.10.2024 22:29

Bohdan Kuschnir, Spitzname Hrys, begann seinen Weg als Krieger im Jahr 2014 und schloss sich (der Brigade – Red.) Azow im Alter von 20 Jahren als Freiwilliger an. Zwei Monate nachdem er zum ersten Mal ein Maschinengewehr in die Hand genommen hatte, wurde er schon zum Zugführer ernannt. Hrys kämpfte für Ilowajsk und nahm an der Schyrokyne-Operation teil. Ohne zu zögern folgte er dem Ruf am 24. Februar 2022. Heute ist Leutnant Kuschnir stellvertretender Kommandeur des Angriffsregiments Safari der Brigade Ljut. Während der umfassenden Invasion nahm er an Schlachten in der Region Kyjiw, in Richtung Cherson und in Bachmut teil. Jetzt kämpft er in Torezk, wo der Feind stündlich mit Dutzenden Infanteristen stürmt.

In der neuen Ausgabe des Projekts „Kommandeure des Sieges“ erzählte Bohdan Kuschnir über die Schwierigkeiten der Kämpfe in Torezk, die tatsächlichen Verluste des Feindes, wie er den Frieden mit den Russen sieht und was auf dem Posten des Kommandeurs der Angriffseinheit das Wichtigste ist.

Lassen Sie uns zurück zu 2014 gehen, als Sie dem Asow-Bataillon beigetreten sind. Sagen Sie uns, was genau Sie zu diesem Schritt motiviert hat und wie haben Sie damals Ihre Rolle bei der Verteidigung der Ukraine gesehen?

Wenn wir vor 10 Jahren dorthin zurückkehren, dann, wenn wir über Motivation sprechen, dann ist es in Bezug auf idealistische Werte klar, dass ich mich dort von der Tatsache leiten ließ, dass es notwendig ist, das Land zu verteidigen. Unsere territoriale Integrität wurde verletzt, die Souveränität, und du wirst all diese Werte verteidigen. Aber ich gehe dieses Thema immer noch von einer so philosophischen Seite an. Und wenn wir eben über einen solchen Aspekt sprechen, dann meine ich, wenn wir, bedingt, alle Männer nehmen, so wird ein bestimmter Teil der Männer immer unter allen Bedingungen auf bedeutende soziale Erschütterungen reagieren, sei es Revolutionen, Kriege usw. Jede sozialpolitische Prozesse. Denn wenn man in die Geschichte, in die antike Gesellschaft zurückgeht, waren dort die Gesellschaften oft kastenartig. Das heißt, es gab Kasten von Kriegern, Kasten von Arbeitern, Kasten von Politikern, Gelehrten usw. Deshalb glaube ich, dass es nicht umsonst war. Es gibt bestimmte Männer, die aufgrund ihres Charakters, aufgrund der Natur ihres Charakters, notwendigerweise an solchen akuten kritischen Ereignissen teilnehmen werden.

Ich beziehe mich auf genau diese (Männer – Red.). Also, ich bin nicht in den Krieg gezogen, ohne, sagen wir, Für und Wider abgewogen zu haben: Zu gehen oder nicht zu gehen, ob sie es irgendwie schaffen oder nicht schaffen werden. Das heißt, ich wusste eindeutig, dass ich in den Krieg ziehen würde.

Es liegt nicht daran, dass es dort nicht beängstigend oder ich bin selbst zuversichtlich, nein. Ich erhielt keine militärische Ausbildung, ich war ein 20-jähriger Student. Keine Ausbildung noch, kein Verständnis dafür, wie man kämpft, wie man ein Maschinengewehr in den Händen hält.

Aber im Inneren sagt die Natur, dass du da sein musst, muss das erleben, wie das ist, was Krieg überhaupt ist. Deshalb gab es hier ein solches Schwert in jeder Hinsicht, man muss das Land verteidigen. Und ich höre auf mein  Bauchgefühl, es ist der Krieg und ich muss unbedingt da sein. Deshalb habe ich eine doppelte Motivation - es ist die Verteidigung des Staates und so ein innerer Ruf, den Krieg als Phänomen zu erleben.

Ist es also ein Pflichtgefühl oder die Unmöglichkeit, fernzubleiben und die Augen zu schließen?

Ja, wahrscheinlich etwas Ähnliches, wenn man einfach nicht zur Seite stehen kann, während so bedeutende soziale Ereignisse stattfinden. Egal, wie dein Familienstand ist. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich jetzt beim Direktstudium bin, ich kann vom Studium an der Universität ausgeschlossen werden. Das gerät irgendwie in den Hintergrund. Es herrscht Krieg und man sucht nur nach einer Möglichkeit, dorthin zu gelangen.

Ich bin überzeugt, es gibt Krieger von Natur aus, denn egal wie sehr die Frau weint, egal wie sehr die Mutter fleht, der Mann geht immer noch dorthin, weil die Natur irgendwie ruft.

Aber Sie sagen, ein Teil der Gesellschaft. Und überhaupt, wegen Ihrer Ansichten, was denken Sie daran, dass es in der Gesellschaft der andere Teil der Männer gibt, die nicht ihre Heimat verteidigen will. Fühlen Sie sich damit beleidigt, oder löst es bei Ihnen eine gewisse innere Empörung aus?

Wir führen einen existenziellen Krieg mit einem ewigen Feind um die Existenz unseres Staates, unserer Gesellschaft

Wenn man es oberflächlich betrachtet, es kann ärgerlich sein, wenn es sich um Emotionen handelt. Aber im Allgemeinen verstehe ich, dass alle Gesellschaften so organisiert sind. Ich schaue mir öfter einige Umfragen in verschiedenen europäischen Ländern an. Dort fragt man Männer, ob Sie bereit wären, ihr Land zu verteidigen. Nur ein paar Prozent antworten sicher, ja, ich würde auf jeden Fall an die Front gehen, um die territoriale Integrität meines Landes zu verteidigen. Und ein hohes Prozent von Menschen, die sagen: Nein, ich brauche es nicht, ich bin ein Weltbürger, ich werde mit meiner Familie irgendwohin fahren. Es ist jedoch zu beachten, dass unsere Situation einzigartig ist, d.h. die ukrainische Arme kämpft nicht in einem anderen Teil der Welt, z.B. für die Wirtschaftsinteressen. Wir führen einen existenziellen Krieg mit einem ewigen Feind um die Existenz unseres Staates, unserer Gesellschaft. Das sind sehr erste Sachen, deshalb eskaliert es hier wirklich. Wenn ein Mann sagt, ich will nicht gehen, es ist nicht mein Krieg, natürlich - das macht mich innerlich so wütend. Aber eigentlich versuchst du, die Sache nüchtern zu betrachten, denn wenn sich solche Emotionen über Jahre hinweg ansammeln, kann man sicherlich ein Burnout erleiden.

Es handelt sich einerseits um eine philosophische Frage, aber auch um eine praktische Frage. Sie haben gesagt, dass ein Mann bestimmte Charaktereigenschaften haben muss, um kämpfen zu können. Ist es also möglich, diese Eigenschaften zu erziehen? Und wenn jetzt Neulinge kommen, sprechen wir nicht mehr von der Philosophie, sondern von Eigenschaften. Welche Ansätze nutzen sie für diese Erziehung, diese Ausbildung?

Erstens ist die Situation jetzt so, dass die Menschen parallel zu Kämpfen vorbereitet werden müssen. Aber ich denke, dass das Wichtigste ist, den Menschen verständlich zu machen, was eine militärische Struktur ist. Denn wenn wir darüber sprechen, dass es viele Freiwilligenformationen gab, die Leute oft in solchen Banden kämpften, ohne zu verstehen, was eine militärische Struktur ist... Ich selbst komme aus solchen „Banden“. Wenn du verstehst, dass du kämpfen musst, aber nicht verstehst, warum ich dem Befehl eines Kerls folgen muss, der zu mir kommt und mir sagt: Hör mal zu, steh hier oder grabe hier. Das heißt, du zeigst sich selbst, du zeigst, dass du eine eigene Meinung hast, und das ist keine schlechte Sache. Aber es gibt eine militärische Struktur, in der über dir ein Kommandant steht, der sieht, du schaust geradeaus, und er schaut auf all das herab, analysiert eine Menge von Prozessen und sagt gerade dir deshalb, du sollst hier stehen und hier graben. Dementsprechend muss den Menschen klar gemacht werden, warum so, dass das Befolgen von Befehlen in Ordnung ist und das getan werden sollte, weil...

Deshalb kommen die Leute, sie reisen oft ins Ausland (zur militärischen Ausbildung – Red.). Im Ausland ist die Grundausbildung auf jeden Fall gut. Wenn man einige Aspekte der Ausbildung berührt, wie z. B. Kampfspezifika, Aspekte der Bekämpfung der Drohnen, wie man als Infanterie in einem Artilleriekrieg wie dem unseren agiert, denn die Dichte des Artilleriefeuers ist einfach astronomisch und die Tonnage an Eisen in der Luft bricht einfach alle Rekorde. Daher sind die Ukrainer in dieser Hinsicht weltweit einzigartig. Ich bin überzeugt: Das sollten wir lernen. Wir müssen lernen, es gibt da medizinische Protokolle, die die ganze Welt lernt, aber wir können lernen, wie man diese Protokolle an die Besonderheiten anpasst, wenn zu dem Verwundeten unter ständigem feindlichem Beschuss noch 5 km sind. Und was passiert mit dieser verwundeten Person beispielsweise in 5 Stunden oder in 10 Stunden oder 20 Stunden, während du fährst? Deshalb sind wir hier unschlagbar. Dies ist die Grundausbildung im Ausland, der Kämpfer kommt, wir bringen ihm alle Besonderheiten von Angriffsaktionen, Verteidigungsaktionen, Aktionen mit Ausrüstung bei, wenn es sich um mechanisierte Infanterie handelt. Und das Wichtigste ist, deutlich zu machen, dass es eine militärische Struktur gibt, das ist in Ordnung und wir werden auf deine Meinung hören, aber der Kommandant wird das letzte Wort haben und der Befehl muss erfüllt werden. Dann wird die Mission höchstwahrscheinlich erfolgreich vollbracht, wenn du gesund und lebend nach Hause zurückkehrst.

Wurden Ihre Befehle jemals in Frage gestellt? Haben Sie jemals die Befehle Ihres Kommandos in Frage gestellt?

In einem umfassenden Krieg - nein, denn ich bin schon erwachsen und habe diesen jugendlichen Maximalismus verloren, wenn du dein „Ich“ zeigen willst. Und es ist normal, wenn ein junger Mensch sich in die Gesellschaft integriert, etwas erreichen und zeigen will, wie stark und klug du bist. Aber wenn du erwachsen bist, lenkt du diese Energie schon konkret in irgendeine berufliche Weiterentwicklung dessen, womit du dich befasst. Aber früher – ja, als ich in der Freiwilligeneinheit der Antiterroroperation diente, habe ich die Befehle der Leute in Frage gestellt. Nicht, dass ich sie sabotiert hätte, aber ich habe versucht, etwas von meiner eigenen Besonderheit einzubringen, was meine Kommandeure natürlich verärgert hat. Aber jetzt war ich mit so was nicht konfrontiert. Ich erfülle die Befehle der höheren Führung. Und die Leute, die dienen, ich habe doch noch nie erlebt, dass Leute Befehle sabotieren. Natürlich können sie Fragen stellen, denn die Leute machen sich Sorgen, ob sie uns rausholen, ob es eine Evakuierung geben wird, wie lange ich bis dorthin brauche und ob ich da rauskomme. Und du löst natürlich alle diese Fragen im Planungsprozess, daher hatte ich so eine offene Unzufriedenheit und Sabotage bei der Erfüllung des Befehls nicht getroffen. Solche haben wir nicht.

Wann haben Sie das Kommando übernommen?

2014 kam ich an die Front. Ich kam natürlich als einfacher Fußsoldat, wie Tausende und Zehntausende von Freiwilligen. Aber etwa zwei Monate später wurde ich zum Zugführer ernannt. Es war dort nicht so, dass es nur Leute gibt, die  kamen, und es gibt jemanden, der irgendwo bereits gekämpft hat oder er ein Berufssoldat ist. Nein, das war nicht der Fall. Es ist nur ein „Gesindel“, Menschen, die sich entschieden haben zu kämpfen. Und da wird nach Charakter geschaut, nach Entscheidungen, wie man sie treffen kann, ob man bereit ist, unter kritischen Bedingungen Verantwortung zu übernehmen, wie man handelt. Die Züge waren dann so groß, vollblütig. Das ist jetzt eine ganz normale Geschichte, wenn in einer Kompanie 20 Leute sind und in einem Bataillon 50. Ich hatte damals ungefähr 40 Leute in meinem Zug. So ein Zug ist nicht klein. Und das war so eine erste Erfahrung. Die Erfahrung ist sehr schwer, weil ich damals 20 Jahre alt war, ich war Student des 2. Jahrgangs, kam einfach in den Krieg. Nur vor 2 Monaten nahm ich eine Maschinenpistole in die Hand. Wir waren mit solchen Angriffsaufgaben beschäftigt. Und plötzlich wirst du nicht nur Kommandeur der Infanterie, sondern auch der mechanisierten Infanterie. Das ist Technik, das sind Panzer, Schützenpanzerwagen und du musst feindliche Stellungen stürmen, ganze Städte räumen. Das war eine so enorme Erfahrung. Na ja, wie schafften es, wie wir das konnten.

Zwei Monate in den Studentenjahren, im Allgemeinen hatten Sie keine Gedanken: Bin ich bereit dafür oder nicht bereit? Und wie ist es in diesem Alter mit dieser Erfahrung dann gelungen, Vertrauen unter den Kämpfern zu gewinnen?

Über Vertrauen ist eine so schwierige Frage, weil die Einheit, in der ich gedient habe, im Grunde genommen Menschen von einem sehr so schwierigen obstinaten Charakter sind, weil es viele Leute aus der fußballnahen Bewegung gibt. Alle jungen Leute, alle Menschen, die ihre eigene Meinung, ihr eigenes „Ich“ haben. Oft sind es Menschen, die im Allgemeinen undiszipliniert sind, Menschen, die nie mit dem Dienst zu tun hatten, genau wie ich. Aber wenn ich mich für so eine ruhigere Person halte, mehr gemessen, so gibt es Menschen, die praktisch unkontrollierbar sind. Alles, was er in seinen 20 Jahren oder 18 Jahren gewohnt ist zu machen, ist irgendwo in einem Fußballstadion durch den Sektor zu laufen, jemandem aufs Maul hauen. Und dann muss er Befehle befolgen, irgendeinen 20-jährigen Typen, von dem nicht klar ist, was ist er dann. Ich sage nicht, dass ich dort am mutigsten bin oder am besten geschossen, am besten den Feind getroffen habe. Auf keinen Fall. Es gab Menschen, die sich im Kampf viel besser zeigten. Aber wenn du in einer Sache gut bist, dann werden sie dich höchstwahrscheinlich darin anwenden. Aber wenn man im Komplex gut ist, das heißt, man kombiniert all diese Aspekte teilweise, dann merkt man sofort, dass eine Person Verantwortung übernehmen kann. Und deshalb werden solche Leute in der Regel sofort unterschieden. Ich versuche, das sofort zu tun. Menschen, die in meine Einheit geraten, schaue ich sofort an, wie man mich einmal angeschaut hat, und beurteile sofort, wie wertvoll diese Person in Zukunft sein kann. Da wir jetzt lange gegen den Feind kämpfen werden, man kann nicht nur in einem Tag leben, nur an einem Tag denken. Der Kämpfer geht in den Schützengraben, ich schaue, wie er sich verhält und bewerte sofort, welche Aufgaben man ihm geben kann, welche Verantwortung man ihm anvertrauen kann. Deshalb glaube ich, dass eine solche Vielseitigkeit es den damaligen Kommandeuren ermöglichte, mir eine Position zu geben. Zugführer ist eigentlich keine hohe Position. Das gehört so zu den Basisgliedern, ist aber sehr wichtig, weil auf diesem unteren Mittelglied vieles in den Einheiten hält. Es war ein sehr kompliziertes Kollektiv. Man kann nicht einfach an einem Tag Soldat werden. Deshalb waren das lange, lange Monate in einem so sehr komplizierten Team. Aber jetzt sind dieses Kollektiv, viele Menschen aus diesem Kollektiv solche bereits legendären Figuren, die nicht nur in diesem Krieg in der Ukraine, sondern weltberühmt geworden sind.

Wenn Sie uns sagen können, mit wem mussten Sie dann zusammen sein?

Als ich in „Asow“ diente, diente ich in der gleichen Kompanie, zum Beispiel mit dem derzeitigen legendären Kommandeur der Asow-Brigade, bereits einer Brigade, Redis, er war auch nur ein Infanterist in unserer Kompanie. Jetzt ist er so eine legendäre Figur. Auch der Bataillonskommandeur in der 3. Luftsturmtruppe war so. Er war auch in unserer Kompanie. Er war einfach Infanterist. Alle Bataillonskommandeure der 3. Luftsturmtruppe. Bohdan Krotewytsch, auch „Asow“, war auch ein gewöhnlicher Infanterist. So war das ganze Kollektiv. Wir waren nebeneinander, gerieten in Konflikt, kämpften zusammen und kamen allmählich zu einer Art Professionalität. Alle kennen jetzt diese Leute als die angesehensten Militärs. Aber diese kommen aus genau so harten ehrenamtlichen Kollektiven.

Apropos 2014: Gab es damals ein Gefühl, dass die Ukraine ihre Souveränität verlieren könnte? Und was war Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Halten von Stellungen und zur Abwehr des Feindes?

Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Krieg um die Existenz unseres Staates geführt wurde. Dennoch herrschte das Gefühl, dass der Feind ein bestimmtes Ziel hatte, ein bestimmtes Territorium zu besetzen. Im gegebenen Fall die Regionen Luhansk und Donezk. Und was die Positionen betrifft, so gab es in der Zeit viele solcher tragischen Seiten. Trotzdem hatte die ukrainische Armee doch eine Initiative. Denn trotz ihres Zustands war die ukrainische Armee, ich erinnere mich gut daran, einfach ein deprimierendes Phänomen, man hatte beim Schauen auf diese Armee keine Lust zu essen, zu trinken oder zu reden. Du hast sie nur angeschaut und nicht verstanden, wie das sein könnte. Die Armee war einfach in einem schrecklichen Zustand. In einem schrecklichen Zustand kämpften die Menschen in Turnschuhen, in kurzen Hosen, mit Granaten in den Taschen, einer Art unverständlichem Schutz. Ich erinnere mich, dass die Leute, als wir zu Positionen kamen, oft Helme aus der Sowjetzeiten trugen – „Stahlhelme“. Es war ein Horror. Wenn wir übrige Munition hatten, luden wir den Jungs einfach ab. Es war ein schreckliches Erscheinen.

Und trotzdem griff die ukrainische Armee auch dann in solchem Zustand an. Wer erinnert sich noch an die Aufstellung der Kräfte damals, wie es war, wie die Panik in Donezk herrschte, als die Separatisten schon schrien: „Rettet euch, das ist alles, wir sind am Ende.“ Man flüchtete aus Donezk. In Donezk im Sommer 2014 hätte die ukrainische Armee die Frage geschlossen, sogar in jenem Zustand. Aber als zum Beispiel im selben Illowajsk oder in Nowoasowsk in den ersten Herbsttagen 2014 reguläre Truppen der russischen Armee in die Schlacht eingeführt wurden, war es für die ukrainische Armee schon schwierig, solchen koordinierten mechanisierten Einheiten gegenüberzustehen. Von einer Totalniederlage war daher keine Rede. Natürlich gab es ein paar solcher tragischen Situationen, wie Illowajsk-Kessel, Debalzewo-Kessel, und es gab noch solche unangenehme Ereignisse. Aber es ging überhaupt nicht darum, alles zu verlieren und bis nach Kyjiw zu fliehen.

Sie haben sich an die tragischen Seiten unserer Geschichte und insbesondere die Ilowajsk-Operation erinnert, an der Sie auch teilgenommen haben. Erzählen Sie bitte ein bisschen mehr darüber, wie kamen Sie da raus?

Die Situation war so: Die Ilowajsk-Operation, wer sich daran erinnert, war sehr schnell geplant, und es gab Informationen darüber. Jetzt werden Operation eingehend geplant, alles wird qualitativ geplant, wie es sein wird, wer wo reingeht, wer wie stürmt, wer welche Stellungen hält. Damals wurde alles in solchen Einheiten, die nicht militärisch sind, geplant: Jungs, wird fahren heute ab, wir werden irgendwo in der Nähe von Ilowajsk stationieren, und weiter - entsprechend der Situation. Wie Sie verstehen, es kann jetzt Probleme mit der Funkverbindung geben, und damals war es überhaupt ein Albtraum. Damals war analoge Funkkommunikation, es gab keine normale digitale Kommunikation, es gab kein Kommunikationsrelais wie jetzt, keine direkten Kanäle. Dann gab es einfach eine schreckliche Situation mit der Verbindung. Es gab keine Kohärenz und kein Verständnis und kein Zusammenwirken zwischen den Einheiten. Und verschiedene freiwillige Einheiten aus verschiedenen Richtungen gerieten so einfach in Ilowajsk, sie gerieten dort in Gefechte. Es gab harte Kämpfe. Wir hatten dasselbe. Wir erreichten die Stadt, die Kolonne hielt, dann schlossen wir uns den Einheiten der Streitkräfte an, wir zogen zusammen in die Stadt ein. Tatsächlich erinnere ich mich, wie ich es wahrgenommen habe. Unser Zug ist in die Stadt eingezogen. Damals war der GAZ-66, der sowjetische Lastwagen, das beliebte Fahrzeug, einfach ein Wagenkörper mit Bordwänden. So sind der Fahrer und ich in der Kabine und im Wagenkörper 30 Mann. So erreichen wir Ilowajsk. Du trittst in ein Haus ein, siehst den Kommandeur da. Du hörst Explosionen, Glas zerbricht, man sagt dir: Das und das sind Häuser, das ist eine Straße, siehst du? Ich sehe das auf der Karte. Damals gab es auch keine normalen Karten. Es gab keine solchen Systeme, wie wir jetzt „Kropywa“ haben, nach denen Militäraktionen durchgeführt werden. Nur eine Karte, die auf dem A4-Papierbogen gedruckt war. Man hat uns die Straße gezeigt. Man hat gefragt, ob du verstanden hast. In der Tat hat man es nicht verstanden, aber du sagst, dass du es verstanden hast. Und du gehst dorthin, besetzest Häuser, bereitest dich auf Verteidigung vor. Auf diese Weise sind wir sofort in den Kampf gezogen. Dort hatten wir leider Verluste. Gekämpft wurde in der Stadt. Aber dann, Gott sei Dank, verstand unser  Kommandeur sofort, was für eine Situation ist das. Sie ist kritisch. die Stadt kann eingekesselt werden. Der Kommandeur benahm sich anders, wie einige odiöse Personen waren, die ihre Kämpfer in Ilowajsk gelassen haben und nach Kyjiw gefahren sind, um in TV- und Rundfunksendern zu sprechen. Unser Kommandeur war bei uns vor Ort im Gefecht, er traf die Entscheidung, dass die Einheit raus muss, bevor es zu spät ist. Und wir zogen uns zurück, ich erinnere mich jetzt gut, unsere Kolonne war direkt unter Beschuss, als wir die Stadt verlassen mussten.  Der Feind war bereits hinter dem Nachbarzaun. Mein Lastwagen war der letzte in der Kolonne. Und ich erinnere mich, dass ich noch einen Soldaten hatte, alles ist, Gott sei Dank, jetzt mit ihm alles in Ordnung. Er war ein Maschinengewehrschütze, ein Infanterist, so ein ziemlich großer Kerl, mit Maschinengewehr-Munition. Ich erinnere mich, alle sitzen bereits im Wagenkörper und warten. Er ist der Letzte, der mit seinem Maschinengewehr rennt, wie ein Kater in den Wagenkörper springt, man fasst ihn, schleppt ihn in den Wagenkörper, der Wagen fährt, und ich setze mich einfach in die Kabine, und es wird geschossen, irgendwo pfeifen Kugeln, Minen explodieren. Und ich habe einfach so in Richtung des Feindes das Maschinengewehr aus dem Fenster geschoben und einfach geschossen, bis alle Patronenmagazine leer waren. Wird der Feind gezielt auf den Lastwagen schießen, wenn er in der Nähe des Lastwagens ist, so wird er zumindest seinen Kopf beugen und wir können dann normal abfahren. Dann verloren wir überhaupt die Sicht, weil wir als Letzte mit dem Lastwagen die Stadt verließen. Wir verirrten uns, fuhren hin und her durch einige Straßen. Endlich haben wir, Gott sei Dank, unsere Kolonne eingeholt. So haben wir mit Schießerei und Kämpfen die Stadt verlassen, die bereits eingekesselt wurde und in die das russische Militär eingedrungen ist.

Wie ist es Ihnen dann ergangen, wovon haben Sie sich bei Ihren Entscheidungen unter diesen höllischen Bedingungen leiten lassen?

In Wirklichkeit ist es sehr schwierig, unter solchen Bedingungen zu führen, ich würde sagen, es ist praktisch unmöglich. Es spielte dort eine große Rolle, dass alle in einem solchen Sicht- und Sprachkontakt standen, denn wenn wir über die Führung von Truppen auf dem Schlachtfeld sprechen, sehen sich Kämpfer oder Einheiten in der Regel nicht. Du verstehst einfach, dass du einen Kameraden auf der rechten Seite und einen Kameraden auf der linken Seite hast. Du verstehst, an welchen Positionen welche Entfernungen und welches Kreuzfeuer du mit ihm machen kannst. Das war damals nicht der Fall. Du fliegt einfach in einen Abschnitt, den du vorher noch nicht gesehen hat und den du gerade erst gesehen hat, keine Karten, keine Planung. Und da hat es schon eine Rolle gespielt, dass alle zusammengehalten haben, es war irgendwie möglich, damit mehr oder weniger zu führen, zu organisieren, dass man niemanden vergisst. Wenn man einen Kampf führt, dann alle zusammen, wenn man sich zurückzieht, dann alles irgendwie plus-minus organisiert. Und darauf, dass alle zusammengehalten haben, hat es plus-minus alles geklappt.

Danke Ihnen für die Antwort ... Haben Sie nach der Ilowajsk-Operation darüber nachgedacht, den Dienst zu verlassen?

Nein, so etwas gab es nicht. Während der Krieg aktiv war, habe ich nie daran gedacht, den Dienst zu verlassen.

Dann war in Ihrer Erfahrung die Schyrokyne-Operation, eine der ersten Offensivoperationen. Erzählen Sie über diese Zeit, wie es überhaupt gelungen war, Erfolg zu erzielen und welche Episoden sind Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben?

Damals herrschte an der Front aufgrund der Ereignisse in Debalzewe eine allgemeine Depression. Und eines der verfolgten Ziele bestand darin, die Aufmerksamkeit des Feindes abzulenken, damit er einige Reserven verlegt, diese Richtung schwächt, und gleichzeitig den Feind von Mariupol wegzudrängen, der auf die Stadt immer dichter rückte. So verbrachten wir eine gewisse Zeit, mit Aufklärung und logistischen Routen, fuhren durch die Grauzone und schickten unsere Aufklärergruppen. Es gab da ziemlich bedeutende Grauzonen, in denen wir und der Feind präsent waren. Dort wurde eine Offensivfront bestimmt. Und es war eine sehr coole Erfahrung. Ein so cooles Ereignis war, als es gelungen war, 20 km weit genug vorzudringen, den Feind zurückzuschlagen. Warum der Name Sсhyrokyne? Wahrscheinlich deshalb, weil die Siedlung Schyrokyne, in der wir schon Halt gemacht hatten, nicht weiter vordringen konnten und es dort zu ernsteren Kämpfen kam. Denn die ersten Kilometer der Grauzone wurden recht schnell geschafft. Es waren dort einige kleine feindliche Kräfte, die sofort vernichtet wurden. Aber als wir uns schon Schyrokyne näherten, kam es zu solchen ernsten Gefechten, mit Schützenpanzern, Panzern. Dort fanden sehr ernste Aktionen statt. Deshalb erhielt die Schyrokyne-Operation diesen Namen, weil Schyrokyne damals in allen Schlagzeilen stand. Und im Allgemeinen gab es dort sehr heftige Kämpfe, die, soweit ich mich erinnere, bis zum Herbst 2015 andauerten. Dann gelang es uns, den Feind komplett zu verdrängen, wir hatten Schyrokyne schon ganz zurückerobert.

Und wie war damals die Situation mit den Waffen?

Die Waffensituation war nicht wirklich erfreulich. Wir hatten wenig Ausrüstung. Unsere Einheit hatte fast keine Kettenfahrzeuge, keine Panzer. Vielleicht gab es einen oder zwei Panzer. Hauptsächlich gab es Radmaschinen. Radausrüstung bedeutet, dass das Rad irgendwo platt wird oder auf eine Mine fährt, oder dass es irgendwo durchgeschossen wurde und dann war es, weiter fährt es nicht mehr. Daher war es schwierig mit Waffen und die Infanteriewaffen waren sehr vielfältig. Da es mittlerweile dank aller Arten von ausländischen Mustern und Lend-Lease sehr vielfältig ist. Damals verfügten die Infanteristen nur über ein Maschinengewehr, eine sowjetische rückstoßfreie Panzerabwehrhandwaffe, Unterlaufgranatenwerfer und Granaten. Das ist alles. Deshalb war die Situation so unerfreulich. Aber sie war auf beiden Seiten so, der Feind hatte nur mehr schwere Ausrüstung. Aber die Infanterie kämpfte größtenteils mit solchen identischen Mustern.

Der 24. Februar 2022 - wie war dieser Tag für Sie?

Ich hatte einen Plan für diese Periode, und alles ging, grob gesagt, nach meinem Plan. Ich erkläre, was das bedeutet. Damals gab es eine solche Spannung in der Gesellschaft, sie wussten, dass etwas passieren würde. Jemand glaubte nicht, jemand glaubte, egal. Ich habe versucht, das kaltblütig anzugehen, ja, okay, irgendwas kann sein. Ich hätte nicht gedacht, dass es so massiv sein wird, ehrlich gesagt. Ich hätte nicht gedacht, dass sie direkt auf Kyjiw vorrücken werden. Ich habe mir eine solche Geschichte ausgedacht: Ich habe am 25. Februar gerade Geburtstag, und normalerweise fahren meine Frau und ich zum Snowboarden in die Karpaten. Und so habe ich mir eine Geschichte ausgedacht, dass es jetzt eine solche Spannung gibt, alles kann sein, wenn es einen Krieg gibt, dann wird es eine so große harte Panik geben, alle werden ausreisen, Staus entstehet, Hektik. Und vielleicht werden die Feinde Flugzeuge einsetzen, und vielleicht manche Langstreckenwaffen, was auch passiert ist. Ich habe dann so darüber spekuliert und denke: Ich werde alles mitnehmen, alle notwendigen Dinge, Dokumente, Geld, wir fahren doch (in die Karpaten – Red.). Wenn alles in Ordnung ist, kehren wir einfach zurück. Wenn nicht okay, dann bleibt die Frau da. Ich werde dann mir nicht den Kopf zerbrechen, muss nicht überlegen, was ich mit ihr machen soll, was mit ihr passiert, wie und wohin sie ausreisen muss. Das heißt, ich muss also nicht darüber grübeln. Ich fahre ruhig in den Krieg. Und so geschah es. Das heißt, am 23. Februar fahren wir Ski, wir ruhen uns aus, dann kommt der 24. Februar: Nacht, Morgen, Anruf, Hallo, es geht los. Und wir gehen in die Hotellobby runter, alle sind da schläfrig, rufen jemanden an, verstehen nicht, was los ist, was passiert. Und wir sind schon so sicher, die Frau ist natürlich nicht sicher. Ich bin zuversichtlich: Mit solchen Taschen sind wir schon fertig, ich stecke sie einfach in den Kofferraum. Ich habe die Frau zu Verwandten gebracht. Und ich selbst telefonierte bereits auf dem Weg mit Freunden, es gab eine ziemlich große Bande von uns, die sich aus dem einen oder anderen Grund in der westlichen Ukraine befanden. Und jetzt rufen sich alle gegenseitig an: Hallo, wo bist du, wie bist du da? Wir blieben in Verbindung, trafen uns und eilten nach Kyjiw.

Warum haben Sie sich der Streifenpolizei angeschlossen?

Ich bin zufällig reingekommen. Warum? Denn wie bei der Antiterroroperation (ATO) beginnt man hier in vollem Umfang zuerst zu kämpfen, und dann denkt man schon darüber nach, wie man es legalisieren kann, wie all diese Formalitäten abgewickelt werden sollten, damit man offiziell formalisiert wird, weil es falsch ist, mit so einer illegalen Bande zu kämpfen. Das ist manchmal nötig, wenn keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Man tritt in den Kampf ein und setzt möglichst alle seine Ressourcen dort ein, wo man gerade gebraucht wird. Aber als diese Panik vorbei war, haben alle bereits verstanden, dass Kyjiw weder innerhalb von  3 noch von 5 oder 10 Tagen eingenommen werden wird. Und überhaupt wird es sicherlich nicht eingenommen werden. Als es ungefähr so eine stabile Situation gab, stellte es sich die Frage, was zu tun ist, es ist notwendig, irgendwo zu formalisieren. Und man musste das schnell tun, um nicht von irgendwelchen bürokratischen Nuancen abgelenkt zu werden. Und ein Freund bot damals der Gruppe an, in der ich gekämpft habe: Hier gibt es Streifenpolizei, dort gibt es eine Einheit, in die sie uns aufnehmen werden. Klar, dass es nichts mit irgendwelchen Polizeifunktionen zu tun hat. Man wird ihr nur offiziell registriert, ihr könnt offiziell an Kämpfen teilnehmen. Und es gab große Vorteile - wir konnten eine Richtung selbst wählen. Du kannst in der Region Cherson, in der Region Donezk kämpfen. Du kannst eine Richtung wählen. Und dann musst du einfach berichten - wo du bist, wie du bist, wo du kämpfst. Und diese Variante war für uns am besten geeignet. Die Entscheidung wurde innerhalb von einem Tag getroffen. Wir setzten alle nötigen Unterschriften, erledigten dann natürlich alle Formalitäten, die nötig sind. Wir gingen sofort in die gewählte Richtung, um zu kämpfen.

In dieser Zeit haben Sie an den Kämpfen in der Region Kyjiw, in Richtung Cherson und in Bachmut teilgenommen. Beginnen wir mit der Hauptstadt, der Verteidigung der Region Kyji. Vor welchen Herausforderungen standen Sie damals?

In der Region Kyjiw haben wir hauptsächlich in Richtung Tschernihiw gehandelt. Russische Truppen versuchten dort entlang der Browary-Straße, der Tschernihiw-Straße vorzurücken. Die Russen haben es von Zeit zu Zeit in kleinen Kolonnen mit Technik versucht, einfach auf die Straße zu fahren und versuchten durchzubrechen. Und es gab dort ukrainische Panzerabwehrwaffen. Die Russen feuerten sie einfach ab, sie töteten diejenigen, die aus den Kampffahrzeugen gesprungen sind. Das heißt, ein solcher Krieg war positionell. Und bis jetzt habe ich manchmal, wenn ich in Richtung Tschernihiw fahre, den Ort gesehen, an dem wir uns dort einen Erdbunker gegraben haben, wo unsere Stellung war. Ich erinnere mich noch an den Ort, wo das zerstörte russische Kriegsgerät stand, wo die getöteten Feinde dort auf der Straße lagen. So ein ziemlich denkwürdiger Ort für mich. Das war damals die Hauptrichtung.

Was war Ihrer Meinung nach damals der Wendepunkt?

Ich denke, der Wendepunkt war, als der Feind erkannte, dass es unmöglich ist, einfach eine so mächtige Agglomeration einzunehmen: Kyjiw selbst und die Agglomeration der Städte, die sich um es herum befinden. Dennoch ist es die Hauptstadt, eine große Ansammlung unserer Truppen. Ja, es gab manche, vielleicht kritische Situationen. Aber als sie verstanden haben, dass es in der modernen Welt nicht mehr so funktioniert. Man kann nicht einfach einmarschieren und eine riesige Stadt, die Hauptstadt einnehmen. Diese Soldaten, manche Landungsgruppen im Stil des Zweiten Weltkriegs wurden bei der Landung abgeschossen. Sie sahen, dass es nicht funktioniert, dass unsere tapferen Nationalgardisten standhaft stehen. Der Feind landete mit Kriegsgerät und wurde einfach verbrannt. Wir haben diese Videos gesehen, wie feindliche Leichen von Kampffahrzeugen abgeworfen wurden.

Wie viel Zeit und tote Russen hat es Ihrer Meinung nach gebraucht, um das zu verstehen?

Anhand der Zahlen weiß ich nicht, wie viele Russen genau bei Kyjiw gestorben waren, aber Tausende, verständlich, viele Tausende. Und sehr viele unsere mobile Gruppen operierten damals, weil der Feind auf den großen Hauptstraßen rollte, aber es gibt noch viele kleine Straßen, auf denen sich unsere Gruppen ziemlich mobil bewegten, sie vernichteten die hinteren Kolonnen. Wir wissen, dass die Helikopter, mit denen oft ihre Kommandeure flogen, die hofften, dass sie jetzt an einem Ort ankommen würden, an dem alle schon alles erobert hatten, einfach ihren Befehlsstand aufstellten und berichten werden, einfach abgeschossen wurden, alle diese Kommandeure wurden verbrannt, sie hatten keinen Befehlsstand vor Ort. Das heißt, die Verluste des Feindes in der Region Kyjiw waren einfach enorm. Ich glaube, sie waren einfach schockiert darüber, wie katastrophal sich die Ereignisse für sie entwickelten.

Dann waren Sie in Richtung Cherson, richtig?

Ja. Nachdem der Feind die Gebiete Kyjiw, Tschernihiw und Sumy verlassen hatte, setzten wir uns zusammen, dachten nach und beschlossen, dass wir wahrscheinlich nach Süden gehen sollten. So erlangten wir Richtung Cherson, es war im Mai-Juni 2022, das heißt, wir gerieten im Grunde genommen in solche Positionskämpfe. Wir standen in der Defensive, wehrten einige feindliche Angriffe ab und versuchten nur, selbst einige minimale Überfälle zu unternehmen. Wir kämpften dort, zogen dann in Richtung Bachmut, und als im Herbst 2022 die Befreiung von Cherson stattfand, waren meine Jungs und ich bereits in verschiedenen Einheiten. Aber wir wollten an diesen Ort kommen, wir sind wirklich dorthin angeflogen.

In Cherson selbst gab es keine Kämpfe, der Feind konnte schnell und organisiert auf das andere Ufer des Dnjepr zurückrollen... Ja, natürlich haben wir jemanden eingeholt, jemanden gefangen, einige Ausrüstung abgeschossen, aber meistens sind alle auf Courage einfach ins leere Cherson einmarschiert. Auch wir, wir sind auch in die Stadt einmarschiert, um die glücklichen Gesichter der Einheimischen zu sehen, wir haben uns geküsst, umarmt und sind in die nächste Richtung gefahren, so war es.

Warum haben die Russen Ihrer Meinung nach eine solche Entscheidung getroffen?

Die Logistik entscheidet alles. Wenn es keine Logistik gibt, kannst du nicht kämpfende Gruppe mit Munition und Proviant versorgen, und der Dnepr ist kein kleiner Fluss, über den man ständig Pontons bauen kann. Keine Brücke - das ist Ende, man wird dort lange Zeit nicht mit Booten fahren können und du kannst Panzer auf Lastkähnen nicht rüber bringen, weil sie schnell zerstört werden. Das war nachdem die Streitkräfte über Cherson erfolgreich Operationen durchgeführt hatten, deshalb wurde den Russen klar, dass sie einfach in die Ecke getrieben werden und es nichts mehr zu machen ist, und so trafen sie für sich die richtige Entscheidung. Ja, es hat ihnen enorme politische Verluste bereitet, es gab sehr hohe Spannungen in ihrer Gesellschaft, obwohl ihre Gesellschaft daran gewöhnt ist, dass sie ständig gedemütigt wird, aber damals war es wirklich so eine Medienexplosion, es war cool, es hat mir wirklich gefallen. Aber für sich selbst haben sie aus militärtaktischer Sicht dennoch die richtige Entscheidung getroffen.

Was die Ereignisse in Bachmut betrifft, die Sie bereits erwähnt haben, der Feind begann im Jahr 2022 mit dem Angriff auf die Stadt, die heftigsten Kämpfe fanden jedoch im Jahr 2023 statt. Erzählen Sie über diese Zeit.

Wir wollten mit den Jungs überhaupt in Richtung Saporischschja fahren, zu einer anderen berühmten Einheit, um gemeinsam zu kämpfen. Wir wählten Saporischschja für uns. Doch bevor wir abreisten, bat uns der Kommandeur der Einheit, in der wir uns befanden, für ein paar Tage nach Kramatorsk zu fahren, um dort ein paar Aufgaben zu erfüllen. Und wenn man schon in Kramatorsk ist, warum eigentlich nicht mal nachschauen, was da in Bachmut so ist. Wir fuhren zu gucken und es kam so, dass wir drei lange Monate dort blieben.

Im Grunde genommen gab es im Sommer noch keine Kämpfe in der Stadt selbst, wir hielten noch das Dorf hinter Bachmut, aber dann begannen schon die Kämpfe mit Wagner-Einheiten. Sie gewannen erst an Stärke, sie waren noch nicht so medial, fast niemand hatte von ihnen gehört, aber sie rollten gerade dann herein, bereits im Sommer 2022 waren sie dort präsent. Und wir kämpften mit ihnen um die Dörfer jenseits von Bachmut und später schon in Bachmut selbst. Im Sommer also war die Stadt selbst mehr oder weniger in Ordnung, sogar Supermärkte, kommunale Dienstleistungen funktionierten, Oberleitungsbusse fuhren, die Stadt lebte mehr oder weniger ein normales Leben. Aber schon seit dem Ende des Sommers, es war schon August-September, begann die Stadt allmählich, allmählich in Dunkelheit zu versinken, denn der Feind hat sich der Stadt bereits sehr dicht genähert. Er war schon fast in dem Stadtstreifen. Und es war klar, dass eine Massenevakuierung erforderlich war. Sie feuerten bereits auf den Markt, wo es, wie ich mich erinnere, Einschläge gab und Menschen starben. Alle Einrichtungen und Supermärkte wurden geschlossen, die Kommunalarbeiter hörten auf zu arbeiten ... Die Stadt war also leer bis auf noch das Militär, das die Verteidigung hielt, und schon im August begann man systematisch Bachmut dem Erdboden gleichzumachen.

Was war für Sie persönlich dieser Kampf um Bachmut?

Im Sommer haben wir in diesen Dörfern bei Bachmut gekämpft, noch im Herbst waren wir dort, und im Winter 2023 war ich schon nicht regelmäßig dort. Wir haben doch mehrere Male Bachmut besucht, es gab solche kurzfristigen Reisen, an denen wir teilgenommen haben. Sehr hart war die Schlacht, massiver Artilleriefeuer. Damals setzte die russische Armee bereits aktiv Drohnen ein. Das heißt, bereits eine Überlegenheit  der Ukraine. Sie haben bereits begonnen, Drohnen einzusetzen, Bomben abzuwerfen. Dazu noch Kälte, der Winter war sehr kalt. Es war auch sehr schmutzig, einfach Brei gemischt, sagen wir, mit menschlichem „Hackfleisch“. Es ist, wie es ist - so ein unwirklicher Fleischwolf. Das ist eine der schwersten Schlachten dieses Krieges, bin ich überzeugt: Man geht einfach wirklich über Leichen (des russischen Militärs - Red.) zu Stellungen, es war sehr schwer. Und für die, die dort im Winter bis zuletzt regelmäßig waren, kann ich mir gar nicht vorstellen - wie sie das ausgehalten haben. Ich hatte, sagen wir, kurzfristige Dienstreisen dorthin, aber die Truppen standen dort ständig, die unmenschlichen Bedingungen sind einfach, die Kälte, der Winter, und ist es gar nicht  einfach, unsere Stellungen zu erreichen. Man fährt nicht, sondern man geht dorthin. Ich bin also auf unsere Positionen gekommen und ich kämpfe, es war fast unmöglich, damals auf die ukrainischen Stellungen zu kommen. Das ist schon ein Erfolg, es war so schwer, sie zu erreichen. Deshalb war die Abwehr in Bachmut einfach unrealistisch bezüglich der Schwierigkeit.

Aber trotz der Überlegenheit der russischen Armee an Soldaten, dem Kriegsgerät erlitten die Russen damals große Verluste.

Ja, ich denke, es war die blutigste Zeit für die russische Armee, weil Prigoschin selbst damals zugab, dass nur sie über 20.000 Tote hatten, er sprach offen darüber. Und ich wiederhole, wir haben einen Artilleriekrieg. Das heißt, wenn wir uns ein sowjetisches Buch ansehen, so kommen auf einen Toten in der Regel drei Verletzte. Das ist eine so grobe Statistik. Aber da es bei uns im Krieg eine Menge Treffer gab, denke ich, dass es auf einen (Toten – Red.) bis zehn Verletzte kommen können. Das heißt, wenn es Wagner zufolge (russische Privatarmee Wagner – Red.) mehr als 20.000 Tote gibt, so haben sie (Russen – Red.) dort auch schwere Verluste erlitten, abgesehen von den Verlusten des Verteidigungsministeriums. Sie standen an den Flanken, an den Flanken wurde auch gekämpft. Ich habe auch an den Flanken teilgenommen - bei Klischtschijiwka, Kurdjumiwka - das sind auch Bachmut-Flanken, ich habe es auch einmal geschafft, dort zu kämpfen, also haben sie dort auch schwere Verluste erlitten. Und wir zählen immer noch 20.000 aus der Wagner-Armee, so viele Verwundete - das sind enorme Zahlen, es will mir nicht in den Kopf, das sind Zehntausende von Verwundeten, die nie mehr zurückkehren werden, das sind einfach Krüppel, Verwundete, die abgeschrieben wurden. Jetzt lesen wir, was sie in Russland tun: Sie töten, vergewaltigen, plündern und gehen zurück in die Gefängnisse. Die Verluste dort waren enorm. Ich denke, dass dieser Sommer bezüglich Verluste, russischer Nekrologe einer der blutigsten, wenn nicht der blutigste ist. Ich glaube, diese Bachmut-Operation konnte für Russland sogar die blutigste sein, weil die Verluste einfach kritisch sind. Nun meine ich, auch Awdijiwka steht in diesem Sinne daneben, weil die Verluste der Russen einfach schrecklich sind, was für uns sehr angenehm ist.

Wie lange sind sie Ihrer Meinung nach noch bereit, Verluste zu erleiden?

Ich glaube, sie haben noch eine gewisse Reserve für dieses Jahr, um auf breiter Front anzugreifen, was sie jetzt auch tun, weil sie einen Strom von Freiwilligen haben, die Kohle sehr mögen. Die Russen bieten wirklich gute Bedingungen für diejenigen, die dienen wollen. In einigen Regionen beträgt die Auszahlung einer Einmalzahlung von fast 20.000 Dollar. Es gibt dort viel Arbeitsvieh, das noch nie so viel Geld gesehen hat. Man sagt noch dazu - weitere 266.000 Rubel werden dir jeden Monat gezahlt. Es ist klar, dass sie nicht daran denken, dass sie kommen und jetzt getötet werden. Jeder Mensch denkt, dass sie jeden töten werden, jeden, aber nicht ihn... Es ist klar, dass er gekommen ist, er wurde getötet, das ist alles, niemand wird ihn bezahlen. Aber wegen dieses Köders, viel Geld zu verdienen, gehen viele Menschen in den Dienst. So ist ihre menschliche Ressource groß, auf Kosten verschiedener Subjekte der Russischen Föderation. Aber, glaube ich, es gibt bei ihnen nicht viele Freiwillige, die aus rein ideologischen Gründen dienen gehen. Es gibt doch Ressourcen, um in diesem Jahr auf breiter Front zu kämpfen. Aber man sollte keine rosarote Brille tragen, denke ich, wenn nicht sogar auf breiter Front. Russland wird bis zum Ende dieses Krieges, selbst wenn er zu Ende wäre, immer die Ressourcen haben, um uns ziemlich gut unter Druck zu setzen. Das heißt, in jedem Fall wird ein so großes Land in der Lage sein, menschliche Ressourcen sammeln lassen, egal von welcher Qualität sie sind. Sie sammeln menschliches „Fleisch“, um zumindest in einem Bereich gezielt zu drücken... Das muss man im Hinterkopf behalten: Es wird meiner Meinung nach keine solche Periode geben, dass sie erschöpft sind. Und sie können nichts mehr tun. Nein, das wird nicht der Fall sein. Mindestens einen Abschnitt, aber sie können angreifen, ihn unter Druck setzen.

Sagen Sie bitte, wann haben Sie sich dem Safari-Sturmregiment angeschlossen und was seine Besonderheit ist, und erzählen Sie bitte über Ihre Einheit?

Dem Safari-Regiment bin ich im März 2023 beigetreten. Ich wusste, dass eine Ljut-Brigade geschaffen wurde, die mehrere Regimente vereinen würde. Ich war gerade in der Struktur des Innenministeriums, auch die Ljut-Brigade ist in der Struktur des Innenministeriums, dann dachte ich, warum nicht, warum nicht zu versuchen. Und wie es sich herausstellte, hatte ich bereits Bekannte im Safari-Regiment, weil es früher nur ein separates Regiment war, und jetzt wurde es bereits in die Ljut-Brigade aufgenommen. Ich habe mich einfach gemeldet, mir wurde gesagt: Ja, okay, wir rekrutieren Leute, überhaupt kein Problem - und ich bin sofort in die Einheit aufgenommen worden, buchstäblich in einer Woche wurde ich dort eingestellt. Ich habe nicht lange nachgedacht, ich habe einfach verstanden, dass die Einheit auch weitgehend freiwillig ist. Und Menschen, die schon gedient, viel gesehen haben und freiwillig gekommen sind...

In welchem Bereich, wenn man jetzt darüber reden darf, dienen Sie jetzt?

Jetzt sind wir in Richtung Torezk, bald sind es drei Monate sein, wie wir dort sind. Und in Richtung Torezk drei Monate zu sein, ist es wie ein Monat für ein Jahr. Wahrscheinlich eine der schwierigsten Richtungen jetzt. Und dort kämpfen wir in letzter Zeit.

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