
„Gute Befestigungen und Adrenalin helfen im Krieg“ – Sergeant Major Andrij Kuptschynskyj
Der Oberfeldwebel der Aufklärungsverwaltung der 153. selbständigen mechanisierten Brigade, Andrij Kuptschynskyj, kämpfte in Torezk, Tschassiw Jar, Nju Jork, Bohdaniwka, Welyka Wassyliwka und Hryhoriwka in der Region Donezk. Er baute Befestigungen, wehrte feindliche Angriffe ab, rettete und verlor seine Kameraden. Die Korrespondentin von Ukrinform hatte eine Gelegenheit während seines Urlaubs mit dem Soldaten zu sprechen. Andrij erzählte über seine Motivation, weiter zu kämpfen, die Bedeutung ständiger Arbeit mit dem Personal, Müdigkeit und die Kluft zwischen der Front und dem Hinterland.
„Ich möchte nicht einfach herumsitzen und rauchen, bis ich durch einen Abwurf (des Sprengstoffs von einer Drohne – Red.) umgebracht werde, ich habe drei Kinder. Wenn du zum Kämpfen gekommen bist und überleben willst, musst du etwas tun. Im Krieg darf man nicht faul sein“, sagt der Soldat.
Er fügt bescheiden hinzu, dass er einfach nur seine Arbeit mache. Unter den Auszeichnungen von Andrij Kuptschinskyj sind die Medaille „Dem Verteidiger des Vaterlandes“ und der Orden „Für Mut“ 3. Grades. Das Kommando charakterisiert ihn als einen Soldaten, der qualitativ hochwertige Verteidigungslinien errichtet, Angriffe erfolgreich abwehrt, den Feind vernichtet, das Leben seiner Kameraden unter extrem schwierigen Bedingungen rettet und weiß, wie man neue Rekruten ausbildet.

Andrij kommt aus Schytomyr. Er studierte an der topografischen Fachschule in Kyjiw und erhielt seine Hochschulbildung an der Polissja Nationalen Universität. Er leistete Militärdienst. Vor dem Krieg arbeitete er als Großhandelsleiter in einem Agrarunternehmen. Am 24. Februar 2022 schloss er sich freiwillig dem Zentrum für Personalbeschaffung und soziale Unterstützung an.
Zuerst war Kuptschynskyj Kommandeur der Sicherheitskompanie des Zentrums für Personalbeschaffung und soziale Unterstützung in Schytomyr. Im Sommer 2023 wechselte er zum 463. selbständigen Infanteriebataillon der 143. selbständigen mechanisierten Brigade und später zur 153. selbständigen mechanisierten Brigade. Er kam in die Region Donezk.
„Unser Kompaniechef Oleksij Wassyltschuk hat noch während der Grundausbildung eine hohe Planke für die Personalausbildung gesetzt, dank der unsere Kompanie alle Aufgaben im Donbass erfüllen konnte. Wir hatten Glück, einen jungen, energischen und intelligenten Kommandeur zu haben. Er schätzt das Leben der Menschen, ist mit uns mehrmals in Stellung gegangen und hat kompetent Versorgung organisiert“, erzählt der Soldat.
In den Reihen des 463. Bataillons war Andrij mit dem Bau von Befestigungsanlagen beschäftigt. Er erzählt, dass der Boden in der Region Donezk in der warmen Jahreszeit rollig sei, und wenn es regne oder der Schnee schmelze, sei er schwer und lehmig. Doch mit Lust und Hartnäckigkeit lässt er sich in eine zuverlässige Festung verwandeln.

Der Militär sagt, dass Adrenalin und gut gebaute Befestigungen im Krieg helfen.
„Sobald wir eine Position einnehmen, müssen wir uns sofort verschanzen. Wenn man das qualitativ macht, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass du länger durchhältst. Dank guter Befestigungen konnten wir eine Siedlung ein halbes Jahr lang halten. Ich habe den Jungs immer gesagt: „Jungs, wir wissen nicht, wie lange wir hier sein müssen. Lasst uns alles richtig machen.“ Man muss einfach selbst anfangen, und wenn die Jungs sehen, dass dein Graben sich in etwas Normales verwandelt, machen sie mit. Man kann den Leuten am besten mit eigenem Beispiel erklären, warum sie hierhergekommen sind“, sagt der Soldat.
Er und seine Kameraden marschierten in das Dorf Bohdaniwka in der Nähe der Stadt Tschassiw Jar dreimal ein. Er erinnert sich daran, wie er 150 Meter von der vordersten Frontlinie entfernt seine Position unter einem Haus und Nebengebäuden befestigte. Sie gruben dort ununterbrochen, weil es Winter war und der Boden schnell fest fror.

An einigen Stellungen mussten zuvor eingerichtete Befestigungen erneuert werden, weil sie keinen angemessenen Schutz garantierten.
Viele unserer Probleme bestehen darin, dass die Leute es nicht ernst nehmen. Aber wenn du faul bist, dann wird es dich, Gott bewahre, nicht geben, oder du kannst jemanden im Stich lassen. Ich erklärte den Jungs, dass wir die Befestigungen in erster Linie für uns selbst errichten. Ich habe ein Haus gebaut, also weiß ich, dass alles in gutem Glauben getan werden muss", fügt der Gesprächspartner hinzu.
In Bohdaniwka gelang es den Verteidigern unter der Führung von Andrij Kuptschynskyj erneut, feindliche Angriffe abzuwehren, das russische Militär erlitt erhebliche Verluste und zog sich zurück. Er erinnert sich, dass er einmal während des Artilleriebeschusses und der Angriffe mit FPV-Drohnen zwei verwundete Soldaten vom Schlachtfeld holte, und als er zurückkehrte, nahm an der Abwehr eines anderen Angriffs teil und vernichtete den Feind mit einer Maschinenpistole, weshalb der nicht weiterkommen konnte.
ERFOLGREICHE TRAINING FÜR VERTRAGSSOLDATEN
Andrij erinnert sich auch an Hryhoriwka. Man musste dort eine Stellung in einer Waldanpflanzung errichten, die ständig von Russen beschossen wurde.

Sobald ihre Drohne uns „sieht“, wird mit Geschossen gefeuert. Die Russen starten sie Hunderte innerhalb von einem Tag. Sie können treffend zielen. Natürlich ist es furchtbar, besonders wenn mit „Grad“ heftig beschossen wird - dann merkt man, dass nichts von dir abhängt: Ob man überlebt oder nicht - wie eine Lotterie, teilt der Armeeangehörige mit.
In Hryhoriwka hatte Andrij an einem der Feuerpunkte das Kommando, der unter seiner Führung so eingerichtet wurde, dass es während des Artilleriebeschusses möglich war, das Leben des Personals zu retten. Dort vernichtete und verletzte er bei der Abwehr eines der Angriffe mit einem Granatwerfer Fort-600 mehrere Besatzer, woraufhin sich der Feind zurückziehen musste.
In Hryhoriwka wurden Andrij acht junge Vertragssoldaten unterstellt.
Das waren die Jungs im Alter meiner ältesten Tochter. Diese Bastarde kletterten bereits hinter das Feld und feuerten ständig auf uns. Wir haben eineinhalb Monate gegraben und unsere Stellungen gestärkt. Ich habe ständig mit ihnen gesprochen, weil dann klar wird, wer welche Ängste und Sorgen hat, wie man mit den Jungs weiter arbeiten muss. Generell kann man im Krieg die meisten Menschen überzeugen und lehren. Es gibt aber einen Prozentsatz derer, die dem nicht nachgeben. Bei diesen Vertragssoldaten hat alles gut geklappt, sie dienen weiter, sagt Kuptschynskyj.
Er erinnert sich an eine Zeit, als die ukrainischen Streitkräfte lange auf militärische Hilfe der USA warteten. Ihm zufolge gäbe es Zeiten, in denen man einfach den russischen Beschuss ertragen müsste, es gäbe keine Möglichkeit, darauf richtig zu reagieren. Er sagt, dass FPV-Drohnen ziemlich geholfen hätten.

„ARCHITEKT“ STIRBT EIN TAG VOR DEM URLAUB
Der Soldat sagt, im Krieg sei es am schwersten, Mitmenschen zu verlieren. Er erinnert sich an den Fußball-Veteranen, Juri Njaiko, aus Poltawa, mit dem er die Befestigungen in Tschassiw Jaar gemeinsam baute. Anschließend wurden beide Soldaten nach Bohdaniwka geschickt. Wie sich Andrij erinnert, fühlte sein Mitbruder etwas, weil er wirklich nicht dorthin gehen wollte. In Bohdaniwka erlitt Yuri eine Splitterwunde, die sein Zwerchfell beschädigte. Er hoffte lange darauf, dass er evakuiert werden könne. Leider haben wir nicht geschafft...
In Tschassiw Jar hat uns „Architekt“ aus der Gemeinde Tschudniw (Region Shytomyr - Red.) gerettet, teilt Andrij mit. „Über uns flogen dann FPV-Drohnen, die uns lange Zeit nicht bemerkten, aber eine hing noch oben. Ich schoss aus einer doppelläufigne Schrotflinte auf ihn, traf ihn aber nicht, weil die Drohne hoch war. Danach flog sie auf uns sechs. Ich griff die Maschinenpistole, verfehlte aber wieder das Ziel, weil sie klemmte. Plötzlich sprang der „Architekt“ heraus und gab einen kurzen Feuerstoß auf die Drohne ab, hat uns gerettet.
Er erzählt, wie sie am Tag vor dem Urlaub trotz ihres freien Tages zu der Position gegangen sind, weil sie Angst hatten, dass die Jungs damit nicht zurechtkommen würden. Dort begann ein Mörserbeschuss, bei dem der „Architekt“ starb, der seinen Kameraden mit dem Pseudonym „Capser“ zudeckte. Andrij hoffte, dass er noch am Leben sei und legte ihm sogar eine Aderpresse an, doch die schwere Verletzung ließ dem Soldaten keine Chance. Aufgrund des schweren Beschusses konnte sein Leichnam zwei Wochen lang nicht vom Schlachtfeld geholt werden.
Dafür wurde „Casper“ mit zahlreichen Verletzungen an Beinen und über 40 Granatsplittern vier Stunden lang unter ständigem feindlichem Feuer evakuiert. Das Leben des Soldaten konnte damals gerettet werden.

„WIR SIND SCHOCKIERT VON DEM, WAS WIR IM HINTERLAND SEHEN“
Am Ende des Gesprächs frage ich Andrij, ob er müde ist.
„Sie (die Müdigkeit – Red.) ist ständig spürbar. Im Urlaub lenkt man sich ab, aber die Müdigkeit verschwindet nicht. Ein Jahr lang kann ein Mensch im Krieg noch irgendwie durchhalten, danach muss eine Rotation von mindestens drei bis sechs Monaten erfolgen. Die Soldaten müssen sich behandeln lassen und rehabilitiert werden. Es war einmal so, dass unsere Kameraden aus der 24. Brigade, die neben uns in den Stellungen waren, 54 Tage lang nicht aus Bohdaniwka herausgeholt wurden, weil es niemanden gab, der sie ersetzen konnte. Es herrscht Personalmangel in der Armee und ich mache mir Sorgen darüber, wer als nächstes dorthin gehen wird. Diejenigen, die sich zu Hause verstecken?“, fragt der Soldat rhetorisch.
Er sagt, er habe im Krieg mehr als einmal eine Prellung erlitten, deren Folgen er spüre. Sie müssen regelmäßig behandelt und dann wieder in den Krieg geschickt werden, denn wie der Soldat betont, trägt er eine große Verantwortung für die Menschen.
„Mich beunruhigt mehr, was hier passiert, als dort, denn im Krieg ist alles klar. Das ist Mobilisierung, Innenpolitik und Erziehung des Patriotismus, denn junge Menschen verüben Terroranschläge, als hätten sie noch nicht genug davon, was sie abbekommen (bei Angriffen – Red.). Wo bleibt die Arbeit in dieser Richtung? Es kommt zu Dissonanzen. Manchmal frage ich mich sogar, wie wir noch durchhalten. Es besteht eine große Kluft zwischen Militär und Zivilisten, aber der Krieg ist noch nicht vorbei. Nach unserem Urlaub kehren wir zurück und sind einfach nur schockiert über das, was wir im Hintergrund sehen.“, sagt er.

Andrij warnt die Gesellschaft davor, an einen Sieg in naher Zukunft zu glauben, denn die Enttäuschung sei immer bitter. Man sollte auch den Feind nicht unterschätzen, denn trotz Verlusten und Erschöpfung lernt er ständig dazu.
„Ich bin kein Pessimist und glaube, dass alles gut wird. Alles geht irgendwann vorbei, aber die Russen bleiben unsere ewigen Feinde“, sagt der Soldat.
Iryna Tschyryzja, Schytomyr
Fotos von Autorin und Andrij Kuptschynskyj