Kreml- Inszenierung: Putin, russische Studentin und Universität Wien
Die Kreml-Propaganda arbeitet aktiv daran, den Westen, der die Ukrainer*innen bei ihrer Selbstverteidigung unterstützt, als Feindbild zu gestalten. Im Mai des vorigen Jahres sagte der Außenminister Russlands Sergej Lawrow, dass der Westen der „ganzen russischen Welt den totalen Krieg erklärt habe“. Die natürliche Reaktion der Demokratien, Putins diktatorisches Regime durch die Einführung verschiedener restriktiver Maßnahmen zu bestrafen, wird als „Russophobie“ und „Cancel culture“ Russlands dargestellt. Und wo es nötig ist, wird solche „Diskriminierung der Russen“ im Westen einfach erfunden. Als Beispiel war es der Fall beim Gespräch Putins mit Moskauer Studierenden.
Während des Inszenierungsgesprächs klagte eine deren Teilnehmer, die sich als Darja Semjonowa vorstellte, dass sie „mit Diskriminierung als Staatsbürgerin der Russischen Föderation in Österreich konfrontiert worden sei“. Sie sei gezwungen gewesen, nach Russland zurückzukehren. Ihr zufolge gehe es um Universität Wien, an der sie "transnationale Kommunikation studiert habe“.
Ein paar Tage nach Beginn der militärischen Spezialoperation habe sie von ihrer Universität ein Papier bekommen, wo Russland als Terrorstaat bezeichnet wurde und sie aufgefordert wurde, die Ukraine zu unterstützen. Sie habe es nicht unterzeichnet. „Meine Entscheidung, glaube ich, wurde richtig getroffen", sagte Darja Semjonowa zu Putin. Sie freue sich jetzt „über die Rückkehr"in die Russische Föderation, wo sie eine stolze Studentin an der RUDN (Russische Universität der Völkerfreundschaft – Red.) wurde.
Screenshot der Nachrichten über Putins Treffen mit Studenten von der Website kremlin.ru:
Ob Darja Semjonowa wirklich an der Universität Wien studiert hat, ist nicht bekannt. Während des Treffens benutzte sie jedoch wie Putin (der offenbar von dem Thema wusste) den in Österreich üblichen Gruß „Grüß Gott“. Ukrinform fragte die Universität Wien, ob eine solche Studentin tatsächlich an der Universität studierte. Die Universität beantwortete diese Frage jedoch nicht direkt und stellte gleichzeitig fest, dass es an der Uni Wien kein Studium "Transnationale Kommunikation“, worüber Semjonowa sprach, gebe.
Screenshot des Videos mit D. Semjonowas Appell an Putin:
Aber es ist sicher bekannt, dass die Aussage von Darja Semjonowa über ihre angebliche Diskriminierung als Staatsbürgerin der Russischen Föderation in Österreich und insbesondere die Forderung an sie, Russland als „Terrorstaat“ anzuerkennen und die Ukraine zu unterstützen, eine Lüge ist. Die Uni widerlegte die Aussagen der Studentin bei einem Treffen mit Putin, und stellte klar, dass es eine Petition der Universität Petition in der erwähnten Form nie gegeben habe.
„Die Universität Wien stellt, klar, dass die getroffenen Aussagen falsch sind. Es hat keine Aussendungen an der Uni und auch keine Aufforderung gegeben, irgendwelche Unterstützungen zu unterschreiben. An der Uni Wien gibt es kein Studium "Transnationale Kommunikation", kommentierte der Pressedienst der Universität Wien die entsprechenden Aussagen von D. Semjonowa bei einem Treffen mit Putin.
Gleichzeitig wurde deutlich gemacht, wie die Universität tatsächlich mit Studenten eine Woche nach der umfassenden Invasion der Russischen Föderation in die Ukraine kommunizierte. Ein Schreiben im Namen der Universitätsverwaltung mit dem Titel „Situation in der Ukraine - Unterstützungsvorschläge“ wurde am 2. März 2022 versandt und richtete sich in erster Linie an Studenten aus der Ukraine – es handelte sich um Worte der Unterstützung und nützliche Informationen für sie.
Insbesondere erklärte die Universität Wien in ihrem Brief die „Unterstützung für das ukrainische Volk in ihrem Kampf für Freiheit und Demokratie“, äußerte aber auch „Respekt für all jene Menschen in der Russischen Föderation, die sich gegen die kriminelle Politik ihrer Regierung stellen“.
„Die Universität Wien unterstützt Sie dabei, trotz dieser Lage Ihr Studium fortsetzen zu können. Uns ist bewusst, dass Sie sich im Moment mit existentiellen Fragen auseinandersetzen müssen. Wir haben Verständnis dafür, dass Ihre Sorge und Aufmerksamkeit bei Ihren Familien und Ihren Freunden liegen. Wir wissen, dass Studierende derzeit nicht aus der Ukraine ausreisen können und die technischen Möglichkeiten (digitales Teilhabe) beschränkt sind“, heißt es.
Es wird auch mitgeteilt, dass auf der Webseite Universität Wien Infos für betroffene Studierende zu finden sind. Es geht um Lehrveranstaltungen und Prüfungen, Vorstudienlehrgang, Beurlaubung sowie um Kontakte und Studierendenberatung. „Sie können auf Grund von Reisehindernissen an einer Prüfung oder Lehrveranstaltung vor Ort nicht teilnehmen: Es wird dann überprüft, ob es ein digitales Alternativangebot geben kann (z. B. digitale Prüfungen, Ersatzleistungen, Terminverschiebungen, andere Fristen für Abgaben). Wir werden gemeinsam versuchen, für Sie Lösungen zu finden“. Dies bezieht sich auf wissenschaftliche Mitarbeiter und Lehrende, die durch den Russland-Krieg betroffen sind.
„Wir wünschen Ihnen viel Kraft in dieser schwierigen Situation und stehen als Universität hinter Ihnen“, so Uni Wien.
Und keine Aufforderung, die Anerkennung Russlands als Terrorstaat oder Zwang zur Unterstützung der Ukraine zu unterschreiben, wie Darja Semjonowa dies Putin erzählt hat.
Screenshot eines Briefes der Leitung der Universität Wien an Studenten vom 2. März 2022
Wassyl Korotkyj, Wien
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