Ein Interview zu 100 Tagen im Amt mit dem Außenminister Dmytro Kuleba haben wir im Voraus vereinbart. So habe ich natürlich begonnen, sich vorweg darauf vorzubereiten. Doch bei einem täglichen "Rennen um den Chef" stellte sich heraus, dass die Fragen an den Minister beinahe am Tag derer Entstehung veraltet waren, da sich die Situation mit Clipgeschwindigkeit verändert. Und bei allem, obwohl mir nur der sichtbare Teil des Eisbergs offen steht.
Wir begannen eigentlich damit unser Gespräch, das unter Anwendung von diplomatischen Klischees ein "breiter Kreis aktueller Fragen" angeschnitten hat. Darunter waren die jüngsten und künftigen Ernennungen im Außenministerium, Schmerzpunkte bezüglich der Situation im Donbass und auf der Krim, die Beziehungen zu Georgien und die Aussicht auf ein Verständnis mit dem Iran zum Abschuss des ukrainischen Flugzeugs zu erreichen, und ob das Außenministerium die Ukrainer retten wird, wenn sie im Sommer im Ausland festsitzen.
LOBENSWERTES FEEDBACK DES PRÄSIDENTEN ZU ZWEI THEMEN
Herr Minister, Präsident Selenskyj hat in einem der jüngsten Interviews gesagt, dass er sich im Ozean der Informationen befinde. Und wie würden Sie Ihren Strom von Informationen bezeichnen? Der Ozean, das Meer, die Niagarafälle?
Die Sintflut! Jeder Mensch, der nur ein wenig die Nachrichten überwacht, in sozialen Netzwerken surft und mit anderen Menschen verkehrt, erlebt jetzt so was.
Außerdem habe ich von allen Seiten eine große Menge an BerufsInformationen. Um darin nicht zu "ertrinken", strukturiere ich die Prozesse im Ministerium so, dass nur mir die wichtigsten Informationen oder "Essenz" mitgeteilt wurden.
Hat Präsident Sie in Ihren ersten 100 Tagen gelobt?
Es wird wahrscheinlich unbescheiden sein, aber ja, er hat gelobt. Für humanitäre Hilfe aus mehreren Ländern, für die Freilassung der Bürger, die wir aus Nigeria, Malaysia zurückgeholt haben, für Investitionsprojekte.
Die beste Nachricht ist für ihn, wenn wir unseren Landsleuten bei einer schwierigen Situation im Ausland helfen und Investitionen in die Ukraine heranziehen oder ukrainische Unternehmen auf den Außenmärkten unterstützen.
Alle Berichte über diese beiden Themen führen immer zu einer zustimmenden Rückmeldung des Präsidenten.
Wie kommt das zu Ihnen? Ruft Präsident Sie an oder schreibt an Sie?
Dies ist in den unterschiedlichsten Formaten.
Und hat es inzwischen schwierige Situationen gegeben, in denen Sie nicht wussten, was Sie tun sollten und einen Rat brauchten? Wenn ja, wen haben Sie dann angesprochen?
Wenn man ein Minister wird, ist der Kreis derer, mit denen Sie beraten können, so eng wie möglich, weil alle von dir Entscheidungen erwarten.
Aber in sensiblen Fragen suchte ich mehrmals Rat beim Präsidenten und hat mehrmals mit Veteranen der ukrainischen Diplomatie gesprochen, deren Erfahrungen und Meinung ich respektiere.
Waren unter ihnen Ihre Vorgänger?
Warum nicht... Was meine Vorgänger angeht, hat ich zu einer Frage mit Pawlo Klimkin (Ex-Außenminister - Red.) gesprochen.
Wegen der Quarantäne waren Ihre internationalen Kontakte hauptsächlich virtuell. Aber Sie hatten beispielsweise mit dem Außenminister Heiko Maas sowohl virtuelle als auch direkte Gespräche. Gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Online- und Offline-Verhandlungen?
Wenn man offline kommuniziert, können Sie eine kurze Zeit, wenn Sie unter vier Augen ohne Helfer sind, ein paar Worte wechseln.
Es muss nicht unbedingt ein diplomatisches Geheimnis sein. Es können übliche menschliche Dinge sein, die einfach dazu beitragen, persönlichen Kontakt herzustellen und beiderseitige Empathie zu erzeugen.
So ist der einzige Unterschied.
AKTUALISIERUNG DER GESCHÄFTSFÜHRUNG DES AUSSENMINISTERIUMS NOCH NICHT ABGESCHLOSSEN
Sie haben dem Team zu Beginn der Arbeit im Ministerium gesagt, dass Sie den Ansatz der Diplomaten für die Arbeit ändern, die Initiative bei ihnen aufwecken möchten. Haben Sie das geschafft?
Ja. Ich bin sehr zufrieden mit Ergebnissen der Veränderungen, die im März begonnen haben und für die ich nur das Tempo und wichtige Ideen bestimmt habe. Sie wurden aber vollständig von meinen Kollegen im Außenministerium umgesetzt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar! Und dass wir es mit so einer Geschwindigkeit geschafft haben, voranzukommen, bestätigt, dass diese Dinge längst überfällig sind. Es fehlten nur ein Impuls und eine richtige Formulierung der Ideen, um sie zu starten.
Ist die Erneuerung in der Führung des Außenministeriums abgeschlossen?
Nein. Auf meine Initiative hin wurden Emine Dsheppar und Ewhen Enin stellvertretende Minister. Jetzt warten zwei weitere Kandidaten auf die Zustimmung des ukrainischen Präsidenten für das Amt der Stellvertreter. Es wird auch ein neuer Staatssekretär des Außenministeriums sein.
Gestern (das Gespräch wurde am 12. Juni aufgenommen - Autor) wurde Verdacht des Staatlichen Ermittlungsbüros (DBR) gegen Ihren Stellvertreter Boshok angekündigt. Wie beurteilen Sie diese Situation und wie wurde sie im Ministerium wahrgenommen?
Eine Episode, bezüglich dessen gegen Ehor Boshok Verdacht erhoben wurde, hat mit seiner Arbeit im Auswärtigen Amt nichts zu tun. Das ist ein wichtiger Punkt. Im Außenministerium ist Ehor ist als erfahrener Diplomat bekannt.
Außerdem leben wir in einem Land, wo die Unschuldsvermutung gemäß dem Rechtsstaatsprinzip gilt.
Also, ein Mensch ist nicht schuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.
Die Ernennung von Botschaftern, worüber vorher nicht gesprochen wurde, bevor die Ernennung zustande kommt, wird seit kurzem angekündigt. Insbesondere wurde berichtet, dass Wadym Prystajko den Wunsch geäußert habe, der Botschafter der Ukraine in Großbritannien zu werden. Und der Leiter des Büros des Präsidenten Andrij Ermak sagte während einer Reise in die Region Chmelnyzkyj, dass in einer Woche ein neuer Botschafter in Frankreich ernannt werde. Sind das Ausnahmen, ein Systemausfall oder neue Erfahrungen?
In der Tat habe ich dem Präsidenten lange vor der Entlassung Wadym Prystajkos aus dem Amt des Vizepräsidenten einen Antrag bezüglich seiner Ernennung zum Botschafter in Großbritannien vorgelegt. Wir haben also der Gesellschaft einfach erklärt, dass er, relativ betrachtet, nicht nach Nirgendwo geht, sondern sich auf einen Dienstreise vorbereitet, weil er ein erfahrener Karrierediplomat ist. In diesem Fall war die Ankündigung daher ausschließlich auf das Bedürfnis zurückzuführen, der Gesellschaft zu erklären, was vor sich geht.
Im Hinblick auf den Wechsel des Botschafters in Frankreich, so gut ich mich erinnere, wurde zuvor bei einem Treffen mit Geschäftsleuten an Andrij Ermak diese Frage gestellt und er antwortete, dass es erwartet werde.
Ich glaube nicht, dass wir uns an Geheimniskrämerei halten sollten, wie es früher der Fall war. Die Diplomatie muss offener werden. Wenn eine politische Entscheidung getroffen wird und wir wissen, dass dies geschehen wird, warum auch nicht, die Öffentlichkeit darüber zu informieren?
"ÖKONOMISIERUNG DER DIPLOMATIE" IST EINER DER DISKREDITIERTEN BEGRIFFE, ABER WIR ÄNDERN DAS
Sie betonen immer wieder die Bedeutung der Wirtschaftsdiplomatie. Wie genau formulieren Sie die Aufgabe für Botschafter in diesem Bereich? Seinerzeit gab es Gerüchte um Pläne für Botschafter. Wird ein wirtschaftlicher Key-Performance-Indicator (KPI) für Diplomaten geplant? Obwohl Botschafter unter unterschiedlichen Bedingungen arbeiten, ist die Situation im Land manchmal so, dass von ihnen wenig in diesem Sinne abhängt.
30 Jahren nach der Unabhängigkeit wurden sehr viele Wörter im politischen Wörterbuch der Ukraine diskreditiert. Zum Beispiel das Wort "Aufbesserung" - wir alle erinnern uns, wer und in welchem Zusammenhang es gebraucht hat.
In der Diplomatie ist einer der diskreditierten Begriffe "Ökonomisierung der Diplomatie". Bei uns beschäftigt man damit seit 30 Jahren, aber das Ergebnis ist dasselbe!
Ich glaube, dass der KPI für Botschafter eben aus den Gründen, die Sie genannt haben, eine Nebensache ist. Denn es könnte ein gemeinsamer KPI bezüglich "des Wachstums des Warenumsatzes zwischen den Ländern" geben. Aber zu schätzen, welcher Anteil dieses Wachstums der Verdienst der Botschaft ist, ist unrealistisch.
Tatsächlich ist ganz anderes das Wichtigste - ein Diplomat und ein Geschäftsmann müssen die gleiche Sprache sprechen. Wenn ein Geschäftsmann einem Diplomaten sagt, dass man in diesem Land beispielsweise das Zertifikat Е130 erhalten muss, damit ukrainische Produktion in den Markt dieses Landes einsteigen kann, dann muss der Diplomat ihn sofort verstehen. Sagt ein Investor im Land X, dass er in die Ukraine investieren möchte, so muss der Diplomat vorher wissen, wen er in Kyjiw anzurufen, mit wem er zu sprechen hat. Und er muss davon überzeugt sein, dass es kein Anruf in den Abgrund sein würde.
Die vorrangige Frage ist also, die Prozesse so zu gestalten, dass ukrainische Unternehmen sehen, dass ihre Probleme bezüglich des Zugangs zu Außenmärkten gelöst werden, damit ein ausländischer Investor zufrieden mit der Art und Weise ist, wie der Staat seine Investitionen schon seit den ersten Kontakten mit der Ukraine im Ausland, in Person eines ukrainischen Diplomaten behandelt.
Und was gibt Ihnen Grund zu glauben, dass diese Idee auch diesmal nicht diskreditiert und in eine weitere kampagnemäßige Arbeitsweise nicht verwandelt wird? Man hat früher wohl auch so gesagt, oder?
Genau das hat man vorher nicht gesagt. Aber wir leben in einer Welt, in der alles kompromittiert werden kann!
Ich weiß nur, was ich tun muss. Ich vertraue den Leuten, mit denen ich es tue, und wir werden alles tun, um Erfolg zu erzielen. Ich glaube aufrichtig, dass wir ein starkes und wirksames System für unsere Nachfolger hinterlassen, das sie noch besser machen werden.
Der Aktienkaufvertrag an chinesische Unternehmen Motor Sich, das empfindlich für die Beziehungen der Ukraine zu den USA und China ist, befindet sich immer noch in einem Schwebezustand. Stellen unsere Partner Fragen dazu sowie im Zusammenhang mit dem Investitionsklima in der Ukraine?
Motor Sich ist kein Faktor für das allgemeine Investitionsklima, weil die Lage um es herum so eng und spezifisch ist, dass jeder weiß, dass man daraus keine allgemeinen Schlussfolgerungen ziehen kann.
Motor Sich stand im Mittelpunkt eines großen diplomatischen Spiels. Für die Ukraine gibt es nur ein Interesse - der strategische Ausbau des ukrainischen Unternehmens und Entwicklung ukrainischer Technologien in der Ukraine.
Die Entscheidung wird vom Kartellausschuss geprüft, aber es gibt verschiedene Parallelprozesse. Zum Beispiel, ich weiß, dass ein Gesetzentwurf für Investitionen in strategische Bereiche entwickelt wird. Und hier geht es um Investitionen in den Militär-Industrie-Komplex.
Aber das Interesse der Ukraine ist genau das, was ich genannt habe.
"MINSK" IST NOCH NICHT TOT, ABER DIE UKRAINE HÄLT ES AM BEATMUNGSGERÄT
Die frühere Macht hat bei der Lösung des Konflikts im Donbass darauf gesetzt, den internationalen Druck auf Russland zu erhöhen, um es weggehen zu zwingen. Worauf setzt das neue Team in dieser Frage?
Wir konzentrieren uns auf drei Dinge. Der erste ist die Diplomatie-Offensive. Dies bedeutet, dass wir nicht darauf warten, dass Russland etwas vorschlägt oder versucht, es aufzuzwingen, sondern wir schlagen vor, initiieren, schaffen Situationen, auf die Russland reagieren muss. Und nicht umgekehrt.
Wir haben vorgeschlagen, Sitzungen der Trilateralen Kontaktgruppe als Videokonferenzen auch während der Pandemie abzuhalten, um zu verhindern, dass die Pandemie den Prozess bremst. Russland hat dies übrigens versucht, indem es den Zugang der speziellen OSZE-Beobachtermission zu besetzten Gebiete im Donbass blockiert hat. Es ist ihnen aber nicht gelungen, den Verhandlungsprozess in der Trilateralen Kontaktgruppe zu hindern.
Wir haben den Status der ukrainischen Delegation erhöht und neue Mitglieder eingeführt, indem wir Gegenseitigkeit der Russischen Föderation erhofften und sie dazu zwangen, auch das Interesse am Dialog und der Suche nach Lösungen zu zeigen.
Wir haben Vertreter einzelner Gebiete der Regionen Donezk und Lugansk, Binnenvertriebene in die Delegation aufgenommen, im Grunde genommen einen neuen Arbeitsstandard eingeführt zu haben.
Das zweite Element ist der zunehmende internationale Druck.
Seit dem Beginn meiner Amtszeit im März haben wir gemeinsam mit deutschen und französischen Partnern den Dialog im Normandie-Format auf Ministerebene wiederhergestellt - seit zwei Jahren wurde er nicht geführt.
Außerdem hat eine große Delegation Berlin besucht, wo wir mit dem Verteidigungsminister, dem Außenminister und dem außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin sprachen.
Heute, wenn wir uns unterhalten, ist eine ukrainische Delegation in Paris.
Und warum sind Sie nicht da?
Nur weil der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian heute nicht in Paris ist. Hätte ich mit meinem französischen Amtskollegen gleiche Pläne, würde es Sinn machen, dorthin zu fliegen.
Aus diesem Anlass wird übrigens auch ein weiterer "Verrat" groß aufgemacht. Aber ich neige in letzter Zeit zu der Auffassung hin, dass man aufhören muss, sich Sorgen wegen des "Verrats" zu machen, weil ich mir darüber immer große Sorgen gemacht und ein ganzes Buch geschrieben habe, um den Menschen zu helfen, den gesunden Menschenverstand zu schützen. Es liegt aber nahe, dass nicht alle das möchten, denn es macht mehr Spaß, Verschwörungstheorien zu zuneigen.
Aber zurück zur vorherigen Frage.
Das dritte Element ist die drastische Förderung der Krim-Frage auf internationaler Ebene. Wir arbeiten sehr ernsthaft daran, die Krim aus dem Schatten zu bringen, denn wir können sie nicht vergessen!
Wie meinen Sie, kommt diese Aktivierung unserer Haltung bezüglich Donbass zur Wirkung? Denn es gibt keine Gegenmaßnahmen des Kremls, sondern nur hysterische. Wie bewertet das Außenministerium insgesamt die realen Ziele Russlands im Donbass?
Wenn wir offizielle Erklärungen über die Ziele Russlands hören, bestehen sie darin, zur Rückkehr der einzelnen Teile der Regionen Donezk und Lugansk in die Ukraine, aber im Grunde genommen zu Bedingungen Russland, beizutragen.
Unser Ziel ist es, diese Gebiete in die Ukraine zurückzuholen, aber keineswegs unter den Bedingungen Russlands. Und genau darum geht es bei allen Manövern.
In der Diplomatie gibt es drei grundlegende Methoden, um das Ziel zu erreichen.
Erstens ist es etwas aktiv zu tun, indem man seine Agenda, seine Ideen durchsetzt und seine Partner reagieren lässt.
Die zweite ist, nichts zu tun, dann sterben die Dinge in der Regel von sich selbst oder man wird von einem Partner getrieben, der etwas tut.
Und die dritte Methode ist, zu imitieren, dass du etwas tust, aber wirklich nichts zu tun.
Ich möchte mich nicht in die Vergangenheit vertiefen, aber jetzt ist unsere Grundhaltung, die erste Methode zu verwenden: aktive Diplomatie-Offensive, Ideen, Initiativen, Vorschläge.
Dies ist unserer Meinung nach der einzige Weg, um eine Situation zu schaffen, wenn Russland schließlich gezwungen wird, konstruktiv zu sein, da es auch nicht isoliert wirkt. Und seine Argumente, dass die Ukraine destruktiv sei, keine Regelung wolle und gegen "Minsk" verstöße, sehen einfach absurd aus, nicht aus sich heraus, sondern im Hintergrund dessen, wie wir handeln.
Alle unsere Partner sehen dies und zugeben, dass wir wirklich initiativ, konstruktiv sind, dass wir nach einer Lösung suchen wollen. Und dadurch verliert Russland das Argument, relativ betrachtet, der "schlechten" Ukraine.
Also ist "Minsk" noch nicht tot?
Ich würde sagen, "Minsk" ist noch nicht tot, aber die Ukraine hält ihn an einem deutsch-französischen Beatmungsgerät. Entschuldigen Sie schwarzen Humor.
RUSSISCHE PÄSSE IM DONBASS - FILKINA GRAMOTA
Als Sie in Berlin das Normandie-Treffen auf Ministerebene in nächster Zeit angekündigt haben, hat der russische Außenministeriums Sergej Lawrow darauf durchaus nicht reagiert. Wird es also stattfinden oder nicht?
Wir bestimmen das Datum und sind davon überzeugt, dass wir es festsetzen. Ich bin offen für die Kommunikation mit Sergej Lawrow. Wenn dies hilft, unsere Probleme zu lösen und zur Deokkupation ukrainischer Gebiete, der Freilassung ukrainischer Gefangener beiträgt, bin ich bereit für eine Interaktion in jedem Format.
Inzwischen setzt Russland die illegale Passvergabe an Bürger des besetzten Donbass fort und erklärt, dass es bis Ende des Jahres an die Ukrainer im Donbass 600 bis 800.000 russische Pässe ausstellen könne. Wie sehen Sie die Lösung der Frage bezüglich der russischen Pässe im Donbass sogar nach hypothetischen Kommunalwahlen?
Russische Pässe in den besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Lugansk sind Filkina gramota (Geschreibsel, Urkunde ohne Rechtskraft - Red.). Durch die Vergabe dieser Pässe verstößt Russland grob gegen das Völkerrecht. Sie fallen also nicht ins Gewicht.
Gleichzeitig rufe ich dazu auf, Menschen, die einen russischen Pass in einem besetzten Gebiet erhalten, sehr vorsichtig einzuschätzen.
Jemand erhält es aus ideologischen Gründen - für Russland " bis zum Endsieg".
Jemand erhält es aus gewöhnlicher Bequemlichkeit: ins Ausland zu reisen, die Grenze zu überqueren, irgendwelche Zahlungen zu bekommen. Diese Person kann sich übrigens ganz normal gegen die Ukraine stellen und ihre Rückkehr wünschen.
Jemand nimmt Sicherheitsgründe in Betracht: wenn du einen russischen Pass nicht nimmst, kommst du morgen auf die schwarze Liste.
Also wollen wir alle über einen Kamm nicht scheren, dass sie dort alle wohl gleich sind.
Das Wichtigste ist hier völlig anders. In Bezug auf das Gesetz sind sie absolut wertloser Papierkram, deren Vergabe muss eingestellt werden. Deshalb arbeiten wir mit der internationalen Gemeinschaft, mit unseren Partnern zusammen, damit sie diese Pässe nicht anerkennen und dass wir Russland gemeinsam unter Druck setzen, diese Praxis aufzugeben.
Wie sieht Ihre Prognose aus? Werden Kommunalwahlen im besetzten Donbass im Herbst stattfinden?
Dies hängt davon ab, wie der Minsker Prozess entwickelt wird. Aber es gibt keine Wahl mit vorgehaltener Waffe!
Gesetzt den Fall, dass Russland 60 Tage vor dem Wahltermin seine Truppen aus dem besetzten Donbass abzieht, werden sie trotz sechs Jahren der russischen Besatzung sinnvoll sein? Denn wir werden es nicht schaffen, die öffentliche Meinung vorzubereiten, den Leuten unsere Haltung zu erklären.
Und wenn Sie sich den Medienraum in der Ukraine ansehen? Kann man hier die öffentliche Meinung vorbereiten?
Das sind unsere Bürger, das ist unser Boden, wir sind dort die einzige legitime Macht. Deshalb werden diese Gebiete wieder unter unserer Kontrolle sein, wir werden dort die Vertikale der Macht wiederherstellen, die nicht nur das Recht, zu wählen, sondern auch das Recht, gewählt zu werden, miteinschließt. Natürlich werden alle Kriegsverbrecher keine Möglichkeit haben, sich selbst in einer neuen Realität zu verwirklichen.
Aber wenn wir das durch Dauerverzögerung betrachten, dann glaube ich, dass wir dann auch nirgendwo ankommen. Ein Informationskrieg ist doch ein unendlich langer Prozess und wir werden noch sehr, sehr lange für Gedanken der Menschen kämpfen.
Ich meine, der Kampf um die Gedanken der Menschen ist viel länger als um die Gebiete.
Sie haben in Berlin erklärt, dass die Ukraine zu breiten Kompromissen gegenüber Donbass bereit sei, außer dem Vetorecht der sogenannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk gegen den geopolitischen Vektor der ukrainischen Bewegung.
Nein, ich habe von einem Vetorecht gegen beliebige nationale Entscheidungen gesprochen.
Wir haben eine wunderbare Reform der Dezentralisierung - eine sehr europäische, sehr tiefgreifende, die den Gemeinden die umfassende Macht verleiht und die Macht tatsächlich wieder in die örtlichen Organe bringt. Im Rahmen dieser Reform der Dezentralisierung ist dies bereits viel mehr als Donezk und Lugansk vor 2014 hatten. Außerdem gibt es ein Gesetz "Über die Besonderheiten der lokalen Selbstverwaltung...", in das zusätzliche Elemente aufgenommen werden können, angesichts der Besonderheiten der Region, worin es so lange der Krieg gibt.
Aber ich kann zu hundert Prozent garantieren, dass die Bürger in diesen Gebieten in der Ukraine ohne besonderen Status tausendmal mehr Rechte und Ressourcen haben werden als heute unter der Besetzung der Russischen Föderation.
Zum Abschluss des Themas Russland möchte ich auch die besetzte Krim angehen. Die ehemalige Generalstaatsanwältin der Krim, Natalia Poklonskaja, meldete sich Anfang Juni mit einem Brief bei der UN-Menschenrechtskommissarin, Michelle Bachelet, in dem sie die Ukraine für die humanitäre und ökologische Katastrophe auf der von Russland besetzten Krim verantwortlich machte. Kann dieser Appell internationale Auswirkungen auf die Ukraine haben?
Nein.
Aber internationale Organisationen sind sehr empfindlich für humanitäre Angelegenheiten!
In den internationalen Organisationen sind sehr gute Experten für Völkerrecht tätig. Sie alle wissen als "Vaterunser..." (das am weitesten verbreitete Gebet des Christentums - Red.), dass das Besatzungsland und niemand anders die volle Verantwortung für die Situation in den besetzten Gebieten trägt.
Deshalb ist Frau Poklonskaja mit ihren PR beschäftigt und es ist ihr Recht, aber eine echte internationale Bedeutung haben diese Appelle nicht.
GEORGIEN FÜR UNS EIN SEHR WICHTIGES LAND UND EIN ENGER FREUND
Angesichts der jüngsten Entwicklungen rund um die Situation betreffs der Einbestellung des Botschafters von Georgien und der des Botschafters der Ukraine an das Außenministerium Georgiens scheint es, dass wir einen langjährigen Freund in Person dieses Landes verlieren. Sie haben auch gesagt, wir würden Verschlechterung unserer Beziehungen überleben...
Ich sagte, dass wir jede Krise in unseren Beziehungen überleben.
Und wer hat sie geschafft?
Einige Krisen werden einfach erzeugt, weil jedes Land seine eigenen Besonderheiten hat. Ich versichere Ihnen, nichts ist in der Lage, die ukrainisch-georgischen Beziehungen zu zerstören. Die politischen Spannungen werden nachlassen, all das wird vergessen, und wir werden unsere Beziehungen weiter gut ausbauen.
Als ich gesagt habe, dass wir es schaffen, glauben Sie mir, so wird es sein, was auch immer man ironisieren mag. Die Sonne wird wieder scheinen und wir werden gerne georgische und ukrainische Weine trinken und über die Prioritäten unserer Partnerschaft diskutieren.
Wenn Sie sagen, dass niemand die ukrainisch-georgischen Beziehungen zerstören kann, unterschätzen Sie vielleicht Michail Saakaschwili?
Und vielleicht überschätzen Sie Saakaschwili?
Aber die georgischen Seite reagiert sehr heftig auf die Tatsache, dass der Bürger der Ukraine, Michail Saakaschwili die inneren Angelegenheiten Georgiens kommentiert.
Der Bürger der Ukraine Michael Saakaschwili ist nicht einmal ein Staatsangestellter. Die Angelegenheiten Georgiens kommentiert zu haben, vertritt er nicht die Haltung des ukrainischen Staates.
Und wann ist die Rückkehr des georgischen Botschafters nach Kyjiw zu erwarten?
Die Rückkehr des Botschafters ist von georgischer Seite abhängig. Wir werden jede ihre Entscheidung in diesem Zusammenhang respektieren, weil Georgien ein sehr wichtiges Land und ein enger Freund für uns ist.
Jüngsten Umfragen zufolge ist die Unterstützung für den Beitritt zur EU in der Ukraine auf 46 Prozent gegenüber 64 Prozent im vergangenen Dezember gesunken, zur NATO auf knapp 42 gegenüber 51 Prozent. Gleichzeitig wächst die antiwestliche und insbesondere antiamerikanische Rhetorik, worauf die Macht tatsächlich nicht reagiert. Wie wird das von unseren Partnern angesichts unserer europäischen und euroatlantischen Bestrebungen wahrgenommen?
Ich bin besorgt über die Verbreitung der antiwestlichen Rhetorik in ukrainischen Medien - das liegt völlig nicht im Interesse des ukrainischen Volkes.
Aber es gibt keine antiwestliche Rhetorik in der Exekutive oder in der für die Außenpolitik verantwortlichen Vertikale der Macht. Wir sind absolut davon überzeugt, dass die Ukraine sich weiter in Richtung Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der NATO bewegen muss. Und ich sehe nicht einmal keine Hinweise auf eine Art Kehrtwende oder eine Veränderung der Haltung zu diesem Kurs.
Ich weiß nicht, wie die Rhetorik ist, aber schauen wir uns die Taten an. In Minuten, in denen wir reden, bestimmt nun die NATO den Status der Ukraine im Partnerschaftsprogramm für erweiterte Möglichkeiten (Enhanced Opportunity Partners EOP). Es wird gerade gleich über das Standardverfahren abgestimmt (schaut auf die Uhr). Wenn in 14 Minuten kein Mitglied der Allianz das Standardverfahren unterbricht, erhalten wir diesen Status. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um das Zusammenwirken der Ukraine und der NATO zu verbessern, woran viele Menschen jahrelang gearbeitet haben. Man hat uns jahrelang von verschiedenen Seiten erzählt, dass das nicht passieren würde. Aber wir sind in einem Schritt davon entfernt, auf der Liste der nächsten sechs Partner der Allianz weltweit zu stehen. Ich bin überzeugt, dass wir es bereits de facto sind und innerhalb weniger Minuten wird die Allianz das durch ihre Entscheidung verankern.
UM BLACKBOXEN DES ABGESCHOSSENEN MAU-FLUGZEUGS GIBT ES VIELE SPIELE
Der Iran hat vor kurzem erklärt, dass er bereit sei, demnächst zu Gesprächen im Fall des Absturzes des Flugzeugs der Ukraine International Airlines (MAU) zu jedem Zeitpunkt in die Ukraine anzukommen. Gibt es bereits ein Datum für diese Verhandlungen?
Ich habe Respekt vor Iran als einem schwierigen Unterhändler. Der Fall bezüglich des abgestürzten Flugzeuges ist sehr empfindlich, da es um die Gefühle der Familien der Opfer geht. Daher bemühen wir uns, so korrekt wie möglich zu handeln und fordern unsere iranischen Partner auf, dasselbe zu tun.
Darüber hinaus sind für die Ukraine drei Punkte grundsätzlich. Der erste ist, objektiven Grund der Geschehnisse anhand einer umfassenden Analyse aller Informationen zu ermitteln. Und wir brauchen dazu Blackboxen. Ohne deren Auswertung ist die Feststellung eines ganzheitlichen Bildes nicht vollkommen legitim.
Der zweite Punkt sind Entschädigungen für Familien aller Opfer und Fluggesellschaften. Das ist eine ganze Reihe von Fragen.
Und das dritte ist, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.
Das sind die drei Ziele, die wir verfolgen und wovon wir mit dem Iran sprechen.
Und was den Zeitpunkt betrifft und wer wen besucht... Noch im März, als ich Minister wurde, hat sich der Iran zu einem baldigen Treffen bereit erklärt. Wir hoffen, dass die Zeitspanne zwischen den Erklärungen des Iran, sich zu treffen und diese Bereitschaft umzusetzen, so gering wie möglich gehalten wird.
Bezüglich der Blackboxen gibt es viele Spiele um sie herum. Aber ich bin überzeugt, dass letzen Endes alles im Rahmen internationaler Verfahren unter vollständiger Berücksichtigung sämtlicher Regeln stattfinden wird.
Für uns ist die vollständige Legitimität dieses Prozesses von entscheidender Bedeutung.
Die Auswertung der Blackboxen erfordert spezielle Ausrüstung, die es in der Ukraine noch nicht gibt. Die Ukraine hat bereits vor einigen Monaten eine Vereinbarung mit Frankreich getroffen, um die Flugschreiber dort auszuwerten.
Vertreter des Irans erklärten sich bei den Ratssitzungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) bereit, die Flugschreiber an Frankeich zu übergeben. Wir hoffen, dass es keine leeren Worte sind. Aber auf dem Weg nach Frankreich müssen wir sie in der Ukraine sehen.
Zum Schluss wollen wir über die Sommerthemen sprechen - jetzt öffnen sich die Grenzen wieder, allmählich wird die Flugverbindung mit verschiedenen Ländern wiederaufgenommen. Gleichzeitig haben Sie den Ukrainern abgeraten, diesen Sommer ins Ausland zu reisen. Und der Chef des deutschen Auswärtigen Amtes war kategorischer, er lehnt erneute Rückholaktion ab und sagte, im Infektionsfall werde man in dem Land bleiben müssen und dort behandelt. Wie wird die Politik des ukrainischen Außenministeriums in einer solchen Situation sein?
Die Aufgabe des Außenministeriums besteht darin, die Bewegungsfreiheit der Bürger zu fördern und ihre Rechte im Ausland zu schützen.
Das Außenministerium wird deshalb den ukrainischen Bürgern in keiner Weise im Weg stehen, die irgendwo reisen möchten. Aber was in meiner Kraft steht, sie nur davor zu mahnen, dass derzeit jede Reise bedeutet, sich einer Gefahr aussetzen.
Also reisen Sie, wenn Sie wollen, aber denken Sie immer daran, dass die Welt gefährlich ist!
Nadija Jurtschenko, Kyjiw
Foto: Gennadij Mintschenko
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