Wiederaufbau der Ukraine: „Wir werden auch die Schule in Awdijiwka wiederaufbauen!“

Wiederaufbau der Ukraine: „Wir werden auch die Schule in Awdijiwka wiederaufbauen!“

Ukrinform Nachrichten
Ein Architekturwettbewerb für den Entwurf eines Schulgebäudes, der als Modell für den Wiederaufbau ukrainischer Bildungseinrichtungen dienen soll, ist angelaufen. Der Entwurf muss jedoch dem Standort Rechnung tragen

Erst in den letzten Tagen wurden die Mychajlo-Bojtschuk-Akademie für dekorative und angewandte Kunst und Design in Kyjiw und die Schule in der Welyka-Pyssariwka-Hromada in der Oblast Sumy zerstört ...

Insgesamt wurden mehr als 3.000 Bildungsgebäude in der Ukraine infolge der verbrecherischen Aggression Russlands schwer beschädigt oder zerstört. Dies ist jedoch kein Grund zum Aufgeben: Trotz der schwierigen Kriegsbedingungen lernen ukrainische Kinder weiter, und in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern werden Lyzeen und Gymnasien in der Ukraine wiederhergestellt, wo es die Sicherheitslage erlaubt.

Inzwischen werden Bewerbungen für die Teilnahme am Architekturwettbewerb „Schule der Zukunft für die Ukraine“ entgegengenommen, der auf Initiative der litauischen Regierung in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Agentur für die Wiederherstellung und Entwicklung der Infrastruktur der Ukraine und mit Unterstützung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft durchgeführt wird. Ukrinform sprach mit den Organisatorinnen und Organisatoren und fachkundigen Architekten und Architektinnen über den Stand des Projekts. Während sie auf die Dringlichkeit des Wiederaufbaus und die unbestreitbaren Vorteile eines solchen Wettbewerbs hinweisen, warnen die Fachleute vor zu hohen Erwartungen an Typenprojekte.

VERTRETER AUS EUROPA, ASIEN UND AFRIKA WOLLEN SICH AM WIEDERAUFBAU DER UKRAINISCHEN SCHULEN BETEILIGEN

Der Wettbewerb „Schule der Zukunft für die Ukraine“ nimmt noch bis zum 23. Mai Entwürfe entgegen. Eine Ausstellung der eingereichten Arbeiten ist für Juni geplant, die Gewinner sollen im Juli bekannt gegeben werden. „Wir freuen uns über das Interesse an dem Wettbewerb“, sagt Projektleiterin Mariana Varkalienė. „Außerdem sind wir angenehm überrascht, dass sich dieses Interesse nicht nur auf Architekten und Architektinnen aus Europa beschränkt, sondern beispielsweise auch Asien und Afrika erreicht. Derzeit ist etwa die Hälfte der angemeldeten Teilnehmer Architektinnen und Architekten aus der Ukraine und etwa die Hälfte aus anderen Ländern“.

Ziel des Architekturwettbewerbs „Schule der Zukunft für die Ukraine“ ist es, ein hochwertiger adaptiver (d. h. an spezifische Bedingungen anpassbares, — Anm. d. Red.) Entwurf eines Schulgebäudes zu entwickeln, das zum Aufbau moderner, integrativer und widerstandsfähiger Bildungseinrichtungen beiträgt. Zunächst wird die Jury die Gewinner der Projektentwürfe ermitteln: Für die Plätze 1 bis 3 werden Preise in Höhe von 12.000 €, 10.000 € bzw. 8.000 € ausgelobt. Der Gewinner oder die Gewinnerin erhält 300.000 € für die endgültige Erarbeitung. Der fertige technische Entwurf des Schulgebäudes wird den ukrainischen Gemeinden und den am Bau interessierten Partnern kostenlos zur Verfügung gestellt.

Rūta Leitanaitė, Kreativdirektorin des Wettbewerbs, Mitglied des Rates der litauischen Architektenkammer (Mitte)

Rūta Leitanaitė, Kreativdirektorin des Wettbewerbs und Mitglied des Rates der litauischen Architektenkammer, sagt: „Die Idee, ein adaptiver Entwurf für den Schulbau im Rahmen eines offenen internationalen Architekturwettbewerbs zu entwickeln, hatte mehreren Gründen. Einer davon ist der Wunsch, der internationalen Gemeinschaft einmal mehr die dringende Notwendigkeit des Wiederaufbaus des ukrainischen Bildungswesens sowie dessen Ausmaß vor Augen zu führen. Internationale Wettbewerbe ziehen immer ein größeres Publikum an als eine einfache Auftragsvergabe durch einen Kunden.

Die Kombination von ukrainischem Fachwissen und ausländischer Erfahrung ist eine weitere Motivation für den Wettbewerb, die in einer seiner Bedingungen — der Bildung gemeinsamer Teams für die Teilnahme — zum Ausdruck kommt. Und das Wichtigste ist, dass Architekturwettbewerbe ein anerkanntes Instrument sind, das die Transparenz des Prozesses, die Einbeziehung einer hochqualifizierten Jury und damit ein qualitativ hochwertiges, einzigartiges Ergebnis gewährleistet“.

Rūta Leitanaitė betont: „Vertreter der Zentralen Agentur für Projektmanagement, Artūras Žarnovskis, ein Mitglied der Wettbewerbsjury, und andere Teammitglieder sind durch die Ruinen der ukrainischen Schulen gelaufen. Sie haben mit eigenen Augen die zerbombten Kindergärten gesehen, mit Eltern gesprochen, die ihre Kinder nirgendwo hinbringen konnten, mit Absolventen, die keine Schule mehr hatten, um ihren Abschluss zu feiern ... Einige dieser Schulen sind bereits aus den Trümmern wiederaufgebaut worden“.

Die Organisation der gemeinsamen Arbeit von Architektinnen und Architekten aus der Ukraine und dem Ausland in einem Team kann verschiedene Formen annehmen. Die Hauptsache ist, dass die Mindestanzahl der Mitglieder eines solchen Teams erfüllt sein muss: mindestens ein Architekt, der das Recht hat, in der Ukraine zu praktizieren, und einer seiner Kollegen, der das Recht hat, außerhalb der Ukraine zu praktizieren.

ADAPTIVER TECHNISCHER ENTWURF ALS CHANCE FÜR EINEN SCHNELLEREN BAUBEGINN

In der Jury des Wettbewerbs „Schule der Zukunft für die Ukraine“ sitzen auch ausländische Architekten und Architektinnen. Victoria Blazhene aus Litauen vertritt ein Unternehmen, das sich auf die Gestaltung moderner Schulen und Kindergärten spezialisiert und sowohl im Bereich der Rekonstruktion als auch des Neubaus tätig ist. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten derzeit an einem Entwurf für zwei Schulgebäude in Butscha in der Oblast Kyjiw. Ein anderer ist der Architekt Carl Bäckstrand aus Schweden. Er gilt als einer der besten Spezialisten für den Entwurf von Gebäuden, die bestimmte Umweltbedingungen berücksichtigen. Und Rolandas Palekas ist Professor an der Technische Gediminas-Universität Vilnius und Gründer eines Architekturbüros, zu dessen Portfolio abgeschlossener Projekte die Universitätsbibliothek Vilnius und der Komplex der Litauischen Musik- und Theaterakademie gehören. Die Arbeiten von Helena Sandman aus Finnland wurden auf der Architekturbiennale in Venedig vorgestellt.

Artūras Žarnovskis, Leiter des Programms Co-create Future of Ukraine (CPMA).

Vorsitzender der aus acht Fachleuten bestehenden Jury ist Artūras Žarnovskis, Leiter des Programms Co-create Future of Ukraine (CPMA). Als Vertreter Litauens ist er seit 2014 an der Umsetzung multilateraler Projekte zum Wiederaufbau der Ukraine beteiligt. Vor dem russischen Überfall auf die Ukraine leitete er ein von Litauen finanziertes Projekt zum Wiederaufbau der Schule Nr. 2 in Awdijiwka, die am 1. September 2021 eröffnet und am 25. Februar 2022 durch russische Waffen zerstört wurde. „Dies demotiviert uns nicht, sondern ermutigt uns vielmehr zum Wiederaufbau. Wir werden auch die Schule in Awdijiwka wiederaufbauen“, sagt Artūras Žarnovskis.

Ukrinform zeichnete die Kommentare des Leiters des Programms Co-create Future of Ukraine in Borodjanka, die Oblast Kyjiw, auf, wo in etwas mehr als einem Jahr mit litauischen Mitteln das Lyzeum Nr. 1 wiederaufgebaut wurde, das während der vorübergehenden russischen Besetzung zu 70 Prozent beschädigt war. Nach Ansicht des Gesprächspartners ist der internationale Wettbewerb für einen adaptiven technischen Entwurf für neue ukrainische Schulen eine Chance für kleine Gemeinden, in Kriegszeiten die besten professionellen Architekten zu gewinnen.

Ein solches Projekt, erklärt Artūras Žarnovskis, wird den Gemeinden Zeit und Geld sparen: Es wird ihnen ermöglichen, schneller mit dem Bau zu beginnen und die Kinder zum Offline-Lernen zurückzuführen. „Ein fertiger adaptiver technischer Entwurf wird die Grundlage für 80 Prozent des Wiederaufbaus sein“, sagt er. „Und das bedeutet nicht, dass alle Schulen wie zu Sowjetzeiten gleich sein werden“. 

Rūta Leitanaitė und Artūras Žarnovskis

„Der Krieg hat uns leider neue Möglichkeiten vor Augen geführt, wo sonst keine gewesen wären: modernere, sicherere und komfortablere Bildungseinrichtungen anstelle der zerbombten oder hoffnungslos beschädigten zu bauen“, kommentiert Rūta Leitanaitė. „Zu Beginn des Projekts haben wir einen zweitägigen Workshop für Pädagoginnen, Pädagogen, Architektinnen und Architekten sowie Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Sektors organisiert. Auf diese Weise haben wir eine Vision davon entwickelt, welche Art von Schule in der Ukraine erwartet wird. Die neue Schule sollte ein Bildungszentrum und ein Gemeinschaftszentrum werden: zugänglich, integrativ, sicher. Wenn eine Schule so gestaltet ist, dass sie den Bedürfnissen der Kinder und der Gemeinschaft gerecht wird, wenn es sicher, bequem und gemütlich ist, in ihren Mauern zu lernen, Sport zu treiben oder ihre Freizeit zu verbringen, dann wird sie mit Sicherheit zu einem Anziehungspunkt für die neue Generation und die gesamte Gemeinschaft“.

DER ENTWURF WIRD FÜR JEDE SCHULE ANGEPASST

Architekturexpertinnen Olha Poduschkina und Anna Kyrij

Die erfahrenen ukrainischen Architekturexpertinnen Anna Kyrij aus Kyjiw und Olha Poduschkina aus Dnipro weisen darauf hin, dass das Vorhandensein eines Typenprojekts nicht überschätzt werden sollte, auch wenn es als adaptiv bezeichnet wird. „Wenn es um Architektur geht, geht es um Einzigartigkeit“, sagt Olha Poduschkina. „Jede Schule steht auf einem Gelände, das nicht mit dem einer anderen Einrichtung identisch ist: Es hat ein anderes Terrain, andere geologische Bedingungen, andere Abmessungen“. 

All dies erfordert einen individuellen Entwurf. Ein Typenprojekt wird angepasst werden müssen. So beträgt die Seismizität gemäß der MSK-64-Skala in Sumy 5 Punkte, in Kyjiw 6 und in Odessa 8. Die Stabilität der Tragwerke muss also überall individuell berechnet werden. Experten schätzen, dass 30 bis 90 % des ursprünglichen Betrags für die Anpassung des Projekts an die Bedingungen des jeweiligen Standorts aufgewendet werden müssen.

Olha erinnert daran, dass Typenprojekte typisch für die Nachkriegszeit in der Sowjetunion waren, als die Chruschtschowkas auftraten. Damals wurden meist fünfstöckige Gebäude auf freien, großen Flächen am Stadtrand gebaut. Die Schulen wurden in die umliegenden Gebäude integriert, die in den Bebauungsplänen der Siedlungen verzeichnet waren, was bedeutet, dass ihre Wiederaufbauprojekte in den meisten Fällen ihre spezifischen Gebiete einnehmen werden. „Ich habe bei allen Gesprächen in Vilnius gesagt, dass es heute unmöglich ist, ein Typenprojekt für einzigartige Orte zu entwickeln, das in den meisten Fällen umgesetzt werden kann“, sagt Olha Poduschkina.

Architektin Olha Poduschkina

Der Expertin zufolge sollten wir uns bemühen, „plastische“ Entwürfe zu entwickeln, die aus einzelnen Einheiten (Elementen, Modulen) bestehen, die wie ein Baukasten „zusammengesetzt“ werden können. Solche Entwürfe lassen sich später billiger anpassen. Sie sind realistischer für eine bestimmte Konstruktion. „Es ist sinnvoll, Standardelemente zu erstellen, nicht das ganze Gebäude. Deutschland macht das, Österreich macht das“, so die Architektin, die den Wert der internationalen Zusammenarbeit im Wettbewerb „Schule der Zukunft für die Ukraine“ hervorhebt.

Olha Poduschkina war Mitglied der Jury des Wettbewerbs „Reset 2022: Energieeffiziente, grüne Schulen“, der vom Verband der ukrainischen Städte in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH durchgeführt wurde. Damals führten sie eine Studie über die Standorte durch, an denen sie den Bau von Schulen planten. Die Ergebnisse bestätigten, dass keine gleichen Bedingungen herrschten. Ein weiterer Punkt war, dass die Gemeinden die Schule nicht an einen anderen Standort verlegen wollten als den, an dem sie sich befand. Die befragten Bewohner und Bewohnerinnen wollten, dass ein Teil des zerstörten Gebäudes erhalten bleibt oder wiederaufgebaut wird. 

Architektin Anna Kyrij

Die Architektin Anna Kyrij sagte: „Wenn wir von Typenschulen sprechen, bedeutet das, dass niemand mit der Gemeinde gesprochen hat. Schulen sollten unterschiedlich sein. Es kommt auf den Standort und die Anzahl der Schüler und Schülerinnen an, ob es sich um ein Stützlyzeum, Grund-, Mittel- oder höhere Schule handelt oder um eine Schule mit beruflicher Ausrichtung. Es gibt viele Parameter, darunter die Ausrichtung des Gebäudes nach den Himmelsrichtungen. Wir müssen einen Wettbewerb für einen einzigartigen Entwurf eines Schulgebäudes ausschreiben: für eine bestimmte Gemeinschaft, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen“.

Anna stellt auch klar, dass die Kosten eines Bauentwurfs kaum 1-2 Prozent der Baukosten erreichen. Daher klingt die Argumentation, bei Entwürfen zu sparen, merkwürdig. Der Entwurf wird entwickelt, um eine qualitativ hochwertige Lösung zu finden, die sich in den Kontext und die Bedingungen des Ortes einfügt und unter anderem beim Bau Geld spart.  

Die Organisatorinnen und Organisatoren des Wettbewerbs „Schule der Zukunft für die Ukraine“ stellen indessen klar, dass es sich bei der adaptiven Wiederverwendung von Architektur um eine Reihe von architektonischen Lösungen für die Gebäudegestaltung handelt, die so weit wie möglich Lösungen für den Standort, den Innenraum und das Aussehen umfassen, die unabhängig vom jeweiligen Standort angewandt und in angepasster Form für viele verschiedene Gebäude wiederverwendet werden können, und zwar jedes Mal durch individuelle Integration und Anpassung an den lokalen Kontext.

Walentyna Samtschenko, Kyjiw

Fotos von Ruslan Kanjuka, Wolodymyr Tarassow und von den Organisatorinnen und Organisatoren des Wettbewerbs zur Verfügung gestellt.


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